Vom Wassergrab und dem Fruchtwasser der Gnade

Wasser bedeutet Tod und Leben: das spiegelt sich auch im Feiern des Glaubens in der Kirche wider. Ingrid Fischer über den Gebrauch von Wasser in der Liturgie, insbesondere bei der Taufe

Wasser: Element des Todes, des Lebens und der Kindschaft

„Auf vielfältige Weise hast du das Wasser dazu erwählt, dass es hinweise auf das Geheimnis der Taufe“. Mit diesen Worten führt das Hochgebet über dem Taufwasser die Feiernden in eine „Heilsgeschichte des Wassers“ von Anbeginn der Welt ein: Gottes Geist hat das Chaoswasser des Schöpfungsanfangs gezähmt, um dem Leben Raum zu geben und in der Sintflut das Böse der Welt untergehen lassen. Er lässt Israel aus einem Dasein in Unfreiheit trockenen Fußes durch die drohenden Wasser des Schilfmeeres ziehen, „Ägypten“ aber – Symbol der Herrschaft des Menschen über den Menschen – darin zugrunde gehen. Weiter heißt es: Von der alten Schuld des Menschen gereinigt, wird, wer mit Christus im „Wassergrab“ der Taufe auf seinen Tod begraben ist, daraus „zum neuen Leben deiner Kinder“ auferstehen.–  Starke Bilder, gewonnen aus der Erfahrung allgegenwärtiger lebensfeindlicher, ja tödlicher Bedrängnis, in der Menschen aller Generationen sich – als Bedrohte und Erlöste – wiederfinden. Das griechische Wort für „taufen“ (baptizein) bedeutet u. a. „Schiffbruch erleiden“, wie auch das Kreuz im Hymnus Crux fidelis bis heute als „die Planke, die uns rettet aus dem Schiffbruch dieser Welt“ besungen wird. Worte, die heute erst recht unter die Haut gehen. Ein Vergleich für den „Brunnen der Taufe“ im lateinischen Hochgebet wiederum ist uterus: „Mutterschoß“, den Christi Geist „befruchte (fecundet), damit die Gnade als Mutter … alle in eine neue Kindschaft gebäre.“

Neues Leben aus dem Untergang: Der stärkste und sinnlichste Gebrauch von Wasser in der Liturgie ist also das Ein- und Untertauchen der Taufbewerber in die Wasser des Anfangs, in die Flut, ins Schilfmeer, ins Wassergrab, ins Waschwasser, in das Fruchtwasser der Gnade und den Lebensquell des Geistes: Darin wird für die Getauften all das spürbar Wirklichkeit, wovon das Hochgebet spricht.

Wasser zum Waschen und Mischen

Im Lauf der Zeit flossen anlässlich einer Taufe jedoch keine „Ströme lebendigen Wassers“ mehr, sondern man bewahrte Wasser in Behältern auf, das auch zur (kultischen) Abwehr oder Reinigung von bösen Kräften (Lustration) verwendet wurde. Wegen der Anfälligkeit von stehendem Wasser für Verderbnis (und Dämonen), musste es seinerseits vor dem Gebrauch exorzisiert und gesegnet werden. Heute soll dieses „Weihwasser“ den Gläubigen beim Überschreiten der Schwelle des Lebensraumes „Kirche“ ihr Getauftsein bewusst machen.

Händewaschungen im Zuge liturgischer Handlungen wie bei der Entgegennahme von Naturalgaben für die Mahlfeier, beim Auflegen der Asche, bei Salbungen etc., waren zunächst oft aus praktischen Gründen notwendig. Die Stilisierung und Spiritualisierung etlicher Vollzüge, zudem auch nicht selten Sündenangst und Schuldbewusstsein, haben zu ihrer Ritualisierung und mitunter auch symbolischen Interpretation beigetragen.

Ähnliches trifft vermutlich für die Beimengung von Wasser zum Kelch mit Wein in der Eucharistiefeier zu. Im Mittelmeerraum war zur Zeit Jesu bei Tisch, also wohl auch beim Herrenmahl, mit Wasser gemischter Wein üblich. Und auch hier sind theologische und allegorische Deutungen dieser „Mischung“ entstanden: Während die westliche Tradition im Wasser die irdisch-menschliche Dimension am Wandlungsgeschehen erkennt, symbolisiert im byzantinischen Ritus ein wenig heißes Wasser jene/s „Glut des Glaubens, Feuer des Geistes“ – so das Deutewort –, der den Wein zum warmen, lebenspendenden Blut Christi wandelt.

Einige frühchristliche Apokryphen (z. B. Petrus-, Paulus und Thomasakten, 2./3. Jh.) berichten sogar darüber, dass manche christliche Gemeinden nur mit Wasser und Brot Eucharistie gefeiert haben  (Aquarier). Doch auch in der Großkirche dürfte man sich, wie andere Quellen (etwa das Martyrium des Pionius, 3. Jh.) erwähnen, zeitweise bei Weinmangel mit purem Wasser beholfen haben … Jede Zeit hat ihre eigenen Nöte. Mögen heute die Taufbrunnen reichlich Wasser führen und am Tisch des Herrn der gutgefüllte Becher mit (Misch-)Wein, dem Herzblut Christi, allen Gläubigen gereicht werden!


Erstveröffentlichung: Pfarrblatt Dompfarre St. Stephan, 72. Jahrgang, Nr. 2/Herbst 2017, 14-15.

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