Gott will im Dunklen wohnen

Beitrag von Prof. Dr. Egbert Ballhorn

Ein Weihnachtslied zum Gründonnerstag, ein Lied auf der Grenze.

Das Advents- und Weihnachtslied, von Jochen Klepper in großer Bedrängnis 1939 geschrieben, ist ein Text, der weiter reicht als in die Weihnachtszeit.

Das Lied steht an der Grenze zwischen Finsternis und Licht, es besingt den Übergang von Nacht zu Tag, von Finsternis zu Licht. Wie in der Logik der Psalmensprache ist es nicht linear aufgebaut. Es beginnt mit der Nacht und klingt fast mit ihr aus: „Noch manche Nacht wird fallen“. Die letzte Strophe tastet sich langsam zum Licht empor „Gott will im Dunkel wohnen und hat es doch erhellt“. Dass auch mit Menschwerdung Gottes und Auferweckung Christi die Nacht für uns nicht einfach geschwunden ist, wird nicht überspielt. Die Hoffnung ist eine ganz andere: Gott selbst hält die Nacht aus, er tritt mitten in das hinein, was das reine Gegenteil seiner selbst und doch irgendwie auch Teil seines Wesens ist. Ps 139,12.

Das Lied spielt mit weiteren Paradoxa, und vor dem Hintergrund des Triduum gelesen, klingen weitere Töne mit. Dass Gott Mensch wird, feiern wir zu Weihnachten. Aber könnte man nicht auch sagen, dass die Menschheit Gottes in Getsemane beginnt, als Jesus mit der Finsternis ringt und sein ganzes Leben mit Leib und Seele zur Disposition steht? Und dass er sich ganz in die Waagschale hineinwirft?

Und ist die Nichtlinearität der Psalmen, die Abfolge von Klage, Rettungsbitte, Jubel und wieder Klage, bevor – meist – am Ende der Dank stehen kann, nicht beispielhaft für unser Leben und auch für eine liturgische Logik? Vielleicht wird sie manchmal vorschnell in eine zu gut bekannte und vorgefertigte Reihenfolge von Lebensstationen Christi geordnet, die mit einem triumphalen Ostern und einem weiteren Triumphweg der sich ausbreitenden Kirche zu enden scheint. Das Licht, das die Boten und die Hirten bei Lukas in Betlehem umstrahlt, es ist doch eigentlich schon das Licht des Ostermorgens und der Männer in leuchtenden Kleidern und das Licht, das die Völker erleuchten wird.

Und ist der Trost der Welt nicht gerade derjenige, der im Garten Getsemane selbst um Trost ringt? Und ist derjenige, der im Glauben bezeugt wird, nicht auch der, der selbst ohnmächtiger Zeuge der Geschehnisse an sich selbst werden musste?

„Der Gott, der mit uns ist, ist der Gott, der uns verlässt“, schreibt Bonhoeffer. Vielleicht haben darum die Osterevangelien alle kein so ganz richtiges Ende, die Zeuginnen und Zeugen werden auf unbekannte Wege geschickt, dem Auferweckten entgegen oder hinterher, den anderen, Gläubigen, Ungläubigen, Noch-nicht-Gläubigen entgegen. Alles mit offenem Ausgang, alles noch im Vorläufigen. Und am Ende werden auch sie sterben wie ihr Herr und Meister. Aber ganz sicher ist, dass dies nicht das letzte Wort und das letzte Ereignis ist, dass das Wort des Lebens darüber hinaus tragen wird. Gott hat sich mit uns verbündet. „Doch wandert nun mit allen der Stern der Gotteshuld“. Von diesem Morgenstern singt das Exsultet.

Was wir nicht wissen: in welcher Reihenfolge uns die Stationen Jesu in unserem Leben begegnen werden. Was wir wohl wissen: Am Ende werden die Gräber leer sein. Alle werden bei dem sein, der vorausgegangen ist.

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