…Und noch immer bin ich bei dir! Spirituelle Impulse aus der Osterzeit

Wie es nach Ostern weiterging? Und erst recht nach Pfingsten? Die fortgesetzte Lesung aus der Apostelgeschichte schildert die Dynamik des Erlösungsgeschehens in Erzählform, die Einzugsgesänge des Chorals während des siebenwöchigen Ostersonntags geben sie verdichtet wieder: Das Leben, zu dem Christus aus der Todesnacht erwacht ist, hat die ganze Schöpfung erfasst; darin eingetaucht werden aus Menschen Töchter und Söhne Gottes, und die Welt ist erfüllt vom Erbarmen Gottes und dem Lied der Geretteten – nur wer es nicht mitsingen will, muss gehen …         

„Die Zeit der fünfzig Tage vom Sonntag der Auferstehung bis Pfingstsonntag wird als ein einziger Festtag gefeiert, als ,der große Tag des Herrn‘“ (Grundordnung des Kirchenjahres 22) – mit einer Freude, die von Dauer sein soll, so wie es die Symbolzahl „50“ (gr. pentekoste; Pfingsten) anzeigt: sieben mal sieben Tage und noch einen dazu – also Fülle mal Fülle und noch einen Schritt darüber hinaus in die Vollendung! Wo erfährt man solche Osterfreude? Eine ihrer Quellen sprudelt in den liturgischen Texten und Gesängen der Osterzeit. Die Eröffnungsgesänge (Introitus) des gregorianischen Chorals bringen Sonntag für Sonntag die „wahrhaft selige“ Nacht von Ostern erneut zum Klingen und meditieren sie.

Aufgestanden zum neuen Leben

Ihre wesentlich aus den Psalmen gespeiste Osterfrömmigkeit gründet in Christi Worten am Ostermorgen: Resurrexi – Aufgestanden bin ich, und noch immer bin ich bei dir! (Ps 139,18). Großes Staunen liegt in diesem Wort. Nach allem, was geschehen ist, nach all dem Leid und der furchtbaren Gottferne, erwache ich aus der Nacht des Todes, und ich bin noch immer bei dir. Du warst vielleicht gar nicht fern …? Nein, mir nicht und den Menschen nicht. Am zweiten Ostersonntag, dem Weißen Sonntag, richtet sich das Wort Gottes zärtlich, aber bestimmt an die Getauften, die in Wasser und Heiligem Geist zum neuen Leben Geborenen: Verlangt wie neugeborene Kinder nach der unverfälschten Milch des Wortes, damit ihr durch sie heranwachst …(1 Petr 2,2). Verlangt nach Ihm, der euch stärkt und wachsen lässt; verlangt nach Ihm, der selbst euer Leben ist, lautstark wie Säuglinge, die nicht aufhören zu schreien, ehe sie „gestillt“ sind.

 … vor deinem Angesicht

So erwachst ihr zu Söhnen und Töchtern Gottes und Miterben Christi. Ihr erhebt nun eure Stimme, um Gott die Ehre zu geben (Jauchzt vor Gott, alle Länder Erde Ps  66,1; 3. Ostersonntag) und die Freudenbotschaft herauszurufen, damit alle sie hören können (Verkündet es jauchzend, damit man es hört. Ruft es hinaus bis ans Ende der Erde! vgl. Jes 48,20; 6. Ostersonntag). Bringt sie den Menschen an den Grenzen der Erde – und den Menschen an den Rändern unserer Gesellschaft: Denn die Erde ist erfüllt vom Erbarmen des Herrn (Ps 33,5; 4. Ostersonntag)! Darum singt dem Herrn ein neues Lied (Ps 98,1; 5. Ostersonntag) und dankt ihm „mit Herzen, Mund und Händen“ (GL 266). Gebt weiter, was ihr empfangen habt, damit ihr euch nicht sagen lassen müsst: Was steht ihr da und schaut zum Himmel empor? (Apg 1,11; 40. Tag der Osterzeit). ChristInnen leben von Ostern, in bleibender Freude und Sehnsucht (Vernimm, o Herr, mein lautes Rufen … Dein Angesicht, Herr, will ich suchen Ps 27,7.8; 7. Ostersonntag). Sie wissen um den, dessen Gegenwart auch jetzt die Geister scheidet. Er vernimmt alles und deckt es auf, um die für immer zu vertreiben, die das Leben schmälern und zerstören (Der Geist des Herrn erfüllt den Erdkreis, und er kennt jeden Laut. Weish 1,7; Gott steht auf, seine Feinde zerstieben; die ihn hassen, fliehen vor seinem Angesicht. Ps 68,2; Pfingstsonntag) – Das ist ihre Hoffnung, die sie bezeugen, auch lange nachdem das Osterhalleluja verklungen ist. Sie tun das in guten und in schlechten Zeiten, in Tiefen und in Höhen, aber immer noch bei dir.

 

  1. Resurrexi et adhuc tecum sum Ps 139,18 Käme ich bis zum Ende, wäre ich noch immer bei dir.
  2. Quasimodo geniti infantes 1 Petr 2,2 Verlangt wie neugeborene Kinder, nach der unverfälschten, geistigen Milch, damit ihr durch sie heranwachst und das Heil erlangt.
  3. Iubilate Deo omnis terra Ps 66,1–3 Jauchzt vor Gott, alle Länder der Erde! /Spielt zum Ruhm seines Namens! Verherrlicht ihn mit Lobpreis! Sagt zu Gott: «Wie ehrfurchtgebietend sind deine Taten; vor deiner gewaltigen Macht müssen die Feinde sich beugen.»
  4. Misericordia Domini plena est terra Ps 33,5 Er liebt Gerechtigkeit und Recht, die Erde ist erfüllt von der Huld des Herrn.
  5. Cantate Dominum canticum novum Ps 98,1–2 Singt dem Herrn ein neues Lied; denn er hat wunderbare Taten vollbracht. Er hat mit seiner Rechten geholfen und mit seinem heiligen Arm.
  6. Vocem iucundatis annuntiate et audiatur cf. Jes 48,20 Verkündet es jauchzend, damit man es hört. Ruft es hinaus bis ans Ende der Erde!
  7. Tag: Viri Galilaei, quid admiramini aspicientes in caelum? Apg 1,11 Ihr Männer von Galiläa, was steht ihr da und schaut zum Himmel empor? Dieser Jesus, der von euch ging und in den Himmel aufgenommen wurde, wird ebenso wiederkommen, wie ihr ihn habt zum Himmel hingehen sehen.
  8. Exaudi Domine vocem meam qua clamavi ad te Ps 27,7–9 Vernimm, o Herr, mein lautes Rufen; sei mir gnädig, und erhöre mich! Mein Herz denkt an dein Wort: «Sucht mein Angesicht!» Dein Angesicht, Herr, will ich suchen.
  9. Tag: Spiritus Domini replevit orbem terrarum Weish 1,7 Der Geist des Herrn erfüllt den Erdkreis, und er, der alles zusammenhält, kennt jeden Laut. Ps 68,2 Gott steht auf, seine Feinde zerstieben; die ihn hassen, fliehen vor seinem Angesicht.

DDr. Ingrid Ficher, THEOLOGISCHE KURSE

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