Die Macht der Musik: Schlaglichter auf die europäische Musikgeschichte

Musik und Gesang sind dem Menschen gegeben: sie sind Ausdruck seiner Lebendigkeit, dringen mühelos in die emotionalen Tiefen seiner Existenz und befähigen ihn zu unvergleichlich intensiver Kommunikation mit Gott und der Welt. Machtvolle Wirkungen, die dem Guten dienen und dennoch für Missbrauch anfällig sind: für Feste und Feiern, zur Bildung von Geist und Gemüt, für Eliten und selbstbewusste Bürger – für Krieg und Frieden. Freilich: „Ohne Musik wäre das Leben ein Irrtum.“ (F. Nietzsche).Musik: ein Geschenk der Götter

Der Mensch singt, seitdem er aufrecht geht und sein Stimmapparat es erlaubt; den Ursprung der Musik (und mancher Instrumente)  aber vermutete er quer durch Religionen und Kulturen „im Himmel“: eine Gabe Gottes und Spiegel der Harmonie alles Geschaffenen sowie von Leib und Seele.

Musik & Liturgie

Klang, Rhythmus, Tanz und Gesang haben somit einen ursprünglichen Ort im Kult: Das biblische „Opfer des Lobes“ (Ps 50,14) und die Darbringung der „Frucht der Lippen, die seinen Namen preisen“ (Hebr 13,15) bezeugen das für Juden und Christen. In spätantiker Zeit wird der liturgische Gesang das kultische Opfer letztlich ersetzt haben: Den ältesten Quellen der römischen Liturgie zufolge ist er einstimmig, unbegleitet und ausgebildeten geistlichen Sängern vorbehalten.

Musik (nur) für Eliten?

Doch auch die adelige Herrschaft weiß die Musik zur Unterhaltung, für Tanz und Zeremoniell sowie Fein- und Scharfsinniges für den Geist zu schätzen: Verschlüsselte Musik in der Frühen Neuzeit etwa verlangt den Ausführenden einiges ab, evoziert Emotionen und gibt Rätsel auf.

In den evangelischen und katholischen Kirchen wiederum entbrennt der Streit um den volkssprachlichen Liedgesang im Gottesdienst: Dürfen Laien überhaupt die bislang Klerikern vorbehaltenen liturgischen Texte – und womöglich nicht mehr lateinisch! – singen oder müssen sie sich weiterhin mit Paraphrasen zu den ebenso göttlichen wie ihnen unverständlichen Handlungen des Priesters begnügen?

Bürgerliche Musik

Während gekrönte Häupter schon sehr früh als Förderer der Künste, ja nicht selten sogar als  Komponisten auftreten, erringen die Bürger erst allmählich einen Zugang zu musikalischem „Hoch“-Genuss (außerhalb der Kirchen). Etwa zeitgleich mit dem Volkslied im bäuerlichen Milieu befördern in den Städten ab dem späten 18. Jahrhundert sowohl die Aufklärung als auch der politisch „verordnete“ Rückzug ins Privatleben und nicht zuletzt die Entstehung von „Freizeit“ zunächst die Gründung bürgerlicher Musiksalons und bald die Veranstaltung öffentlicher Konzerte, für die in Wien ab 1831 eigens errichtete Konzerthäuser zur Verfügung stehen: Der bürgerliche Musikbetrieb ist geboren – und belebt im 19. Jh. nicht nur den Markt, sondern alte und neue Berufsbilder wie das des Musikpädagogen oder des Musikkritikers.

Musik & Politik

Dass Musik den ganzen Menschen erfasst, macht sie auch für die militärische und psychologische Kriegsführung „tauglich“; in ihrer schlimmsten Ausprägung wohl durch jene totalitären politischen Regime, die ihrerseits Macht über den ganzen Menschen beanspruchen: Missbrauch zu Propagandazwecken und Manipulation der Massen durch „gefällige“ Musik gehören ebenso in ihr menschenverachtendes Repertoire wie die Verfemung, Vertreibung und Vernichtung missliebiger KünstlerInnen und ihrer unangepassten Kompositionen.

Die Macht der Musik

Glücklicherweise nicht weniger musikalische Werke feiern indes den Frieden, die Befreiung von Unterdrückung und die Gemeinschaft der Völker! So gibt uns – auch im Spezialkurs „Die Macht der Musik“ bei den THEOLOGISCHEN KURSEN – die ebenso beseligende wie beklemmende Intensität von Musik, ihre enthemmende, berauschende, jedenfalls anrührende Wirkung zu staunen und zu denken: „Ich brauche sie nicht daran zu erinnern, wie wichtig die Musik ist, weil sie die höchsten Gefühle, deren der Mensch fähig ist, zu erzeugen und zu unterstützen vermag.“ (J. H. Pestalozzi)

DDr. Ingrid Fischer


Erstveröffentlichung: magazin Klassik, No.7/Winter 2017/18, 31-33.

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