Die Hebräische Bibel kennt mehrere Verben mit der Bedeutung „bekennen“. Ihnen allen ist gemeinsam, dass sie in einer Form stehen, die man als „kausativ“ (=verursachend) bezeichnet. So hat das Verb „schreiben“ in seiner kausativen Form die Bedeutung von „diktieren“ – also jemanden zum Schreiben veranlassen. Das bedeutet: Ein Bekenntnis wird in der hebräischen Bibel immer durch jemanden verursacht. Niemand kann von sich aus bekennen. Derjenige, der dieses Bekenntnis auslöst, ist der biblische Gott. Ihm wird eine Eigenschaft zugeschrieben, die man auf Deutsch als „Zuverlässigkeit“ oder „Treue“ übersetzen kann. Die Treue des HERRN, die Israel erfahren hat und erfährt, ist Ursache des Bekenntnisses zu seinem Gott.
Eine liturgische Form dieses Bekenntnisses findet sich beim Erntedankfest des alten Israel: Der Beter bringt die ersten Erntegaben in den Tempel und spricht dankbar ein Bekenntnis, das das Handeln Gottes an seinem Volk in Erinnerung ruft (Dtn 26,1-11). Weil Gott seit jeher so gut an uns gehandelt hat, können wir ihm heute für unsere Nahrung danken – das ist der Grundgedanke dieses Gebetes. Der Abschnitt schließt mit den Worten: „Dann sollst du fröhlich sein und dich freuen über alles Gute, das der HERR, dein Gott, dir und deiner Familie gegeben hat“. Die Treue Gottes zu seinem Volk verstehen die biblischen Texte als Folge des Bundes, den Gott mit seinem Volk geschlossen hat. Deshalb betet Maria im Magnifikat: „Er nimmt sich seines Knechtes Israel an und denkt an sein Erbarmen, das er unseren Vätern verheißen hat“ (Lk 1,54-55).
Als die Juden Alexandrias daran gingen, ihre Heilige Schriften in das Englisch der Antike zu übersetzen, verwendeten sie drei griechische Ausdrucke, um den hebräischen Ausdruck für diese Treue Gottes zu übersetzen: Wahrheit, Treue und Gerechtigkeit. Alle drei sind Schlüsselbegriffe in der Theologie des Apostels Paulus, der uns das älteste ausformulierte christliche Glaubensbekenntnis überliefert hat. Mit dem großen Erforscher des frühen Christentums, Larry Hurtado, sehe ich den Ursprung dieses Bekenntnisses in der Jerusalemer Urgemeinde. Paulus hat es also nicht „erfunden“, sondern vorgefunden, als er in die Kirche aufgenommen wurde.
Trotz der nun griechischen Sprache hat das Bekenntnis in 1 Kor 15,1-11 die gleiche Voraussetzung wie das im Alten Testament: Es reagiert auf die Auferweckung des gekreuzigten Messias von den Toten. Zweimal betont der kurze Text, dass Tod und Auferweckung Jesu „gemäß den Schriften“ erfolgt sei. So heißt Glaubensbekenntnis biblisch gesprochen: Ich bekenne mich in der Gemeinschaft der Glaubenden zu diesem Gott, weil wir erfahren haben, wie gut er an uns handelt und gehandelt hat.
Mag. Oliver Achilles THEOLOGISCHE KURSE
Erstveröffentlichung: https://www.kirchenzeitung.at/site/kirche/glaube/bekenntnis-als-dank