„Mariä Empfängnis“ – Fragen und knappe Antworten zum Hochfest am 8. Dezember

Antworten von Dr. Sibylle Trawöger (Universität Würzburg)

1. Was weiß man über die Entstehung des Festes „Maria Empfängnis“?

Wie die meisten lehramtlich festgehaltenen Glaubensaussagen, so hat auch das von Papst Pius IX. am 8. Dezember 1854 erklärte Dogma der Unbefleckten Empfängnis Mariens eine lange Vorgeschichte. Bereits im frühen Christentum wurde danach gefragt, wie die Frau be- bzw. geschaffen war, die „den Erlöser“ gebar. Vor allem im Mittelalter und in der Neuzeit führte der Glaube an die ohne Erbsünde empfangene Maria zu theologischen Schulstreitigkeiten, die das päpstliche Lehramt zu dieser Zeit zu vermitteln versuchte. Im 19. Jahrhundert, das von einer hohen Marienfrömmigkeit geprägt war, wurde der Glaubenssinn der ChristInnen mit diesem Dogma lehramtlich festgehalten.

2. Wie wird das Dogma von TheologInnen interpretiert?

Bei mariologischen Dogmen steht die Beschreibung der Beziehung zwischen Gott und Mensch im Mittelpunkt (und nicht etwa die Absicht historisch verifizierbare Fakten zur Person Mariens darzulegen). Der zeitgenössische Theologe Wolfgang Beinert arbeitet heraus, dass mariologische Dogmen im frühen Christentum vorrangig die Aufgabe hatten, das Christusereignis begreif- und verstehbar werden zu lassen. So will die Rede von der „Gottesmutterschaft“ Mariens (431 lehramtlich festgehalten) oder die „Jungfrauenschaft“ Mariens (bereits die ersten verschriftlichten christlichen Glaubensbekenntnisse sprechen von der Jungfrau Maria) zugänglich machen, was einer „Entweder-Oder-Logik“ widerspricht, nämlich, dass Jesus Christus „vollkommen in der Gottheit“ und „vollkommen in der Menschheit“ ist (vgl. Konzil von Chalkedon, 451). Spätere mariologische Dogmen, wie die Unbefleckte Empfängnis Mariens (Papst Pius IX., 1854) und auch die Aufnahme Mariens in den Himmel (Papst Pius XII., 1950), wollen vorrangig die soteriologische Dimension, also das Erlösungspotential des christlichen Glaubens für den Menschen herausstellen.

Eine Interpretation der Unbefleckten Empfängnis Mariens kann in aller Kürze wie folgt lauten: In Maria realisiert sich Heil und Erlösung – wie es allen Menschen von Gott zugesagt und geschenkt ist – voll und ganz.

3. Warum ist Mariä Empfängnis ein so unzugänglicher, vielleicht komplizierter Glaubensinhalt? Die Rede von der unbefleckten Empfängnis Mariens erzeugt ja oftmals Missverständnisse.

Viele Glaubensinhalte sind (auf den ersten Blick) „kompliziert“. Das liegt einmal daran, dass Entstehung und Genese jeweils mitbedacht werden müssen; in jeder Zeit herrschen andere Glaubens- und Verstehensbedingungen. Dogmen, wie das der Unbefleckten Empfängnis Mariens, ausschließlich mit den in unserer Zeit meist präferierten naturwissenschaftlichen oder historischen Zugängen zu befragen, verkürzt deren Gehalte!

Zudem ist eine bestimmte Art von „Kompliziertheit“ oder „Unzugänglichkeit“ meiner Meinung nach ein wichtiges Merkmal von Glaubensaussagen. Dogmen sind richtungsweisende Einladungen dem Glaubensgeheimnis je von Neuem nachzugehen und sich nicht mit vorschnellen, vermeintlich leicht verstehbaren Antworten auf wichtige Lebens-, Sinn- und Glaubensfragen abzugeben. Sie fordern jeden Christen und jede Christin auf, das Geheimnis des Lebens und Glaubens intellektuell und spirituell zu ergründen.

Einige Missverständnisse sind im Rahmen dieses Ergründungsvorgangs schnell ausgeräumt, wie beispielsweise die Verwechslung der Empfängnis Mariens mit der Empfängnis Jesu.

4. Warum war es so wichtig, dass Maria „unbefleckt empfangen“ wurde?

Beim Dogma der Unbefleckten Empfängnis Mariens wäre es wichtig, theologische Diskurse zur Erbsünde genauer zu betrachten. Innerhalb der (zeitgenössischen) Theologie wird die Thematik der Erbsünde sehr unterschiedlich behandelt und akzentuiert. Allgemein kann festgehalten werden: Mit dem Begriff (Erb-)Sünde wird angezeigt, dass das Menschsein in Beziehung Gefährdungen unterliegt. Hiermit wird theologisch zum Ausdruck gebracht, was das menschliche Dasein vom ersten Moment an mitprägt – Ungerechtigkeit, Leid, Unvermögen, Versagen, „Negatives“ sind menschliche Grundkonstanten. Der Mensch geht aber in diesen nicht verloren – so der Zuspruch Gottes. In der Rede von der „unbefleckt empfangenen Maria“ zeigt sich auch, dass Erlösung und Heil nicht in der Abwesenheit von Leid, sondern unter anderem vielmehr in gelingenden Beziehungen zum Ausdruck kommt.

5. Gibt es eine feministische kritische Perspektive auf die Verehrung Marias als Mutter Gottes?

Vor allem nach dem II. Vatikanischen Konzil (1962-65) und aus feministisch-theologischer Perspektive ist es wichtig darauf hinzuweisen, dass Maria Mensch ist und sozusagen nicht die „weibliche Seite“ Gottes verkörpert.

Zudem ist mir auch immer wichtig zu betonen, dass Maria, mit ihrem absoluten „Ja“ zu Gott, ein Glaubensvorbild für alle Christen und Christinnen ist, nicht nur für Christinnen.

Dr. Sibylle Trawöger (Universität Würzburg)

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