Karsamstag: Der Tag des vermissten Gottes

Warum schweigt Gott? Es ist eine der bittersten Fragen eines glaubenden Menschen: Es bricht ein Unheil über mich, meine Familie oder, wie wir das gerade erleben, über die ganze Welt herein – und Gott schweigt. „Aus den Tiefen, rufe ich, Herr, zu dir“ (Ps 130,1) und – man könnte fortschreiben – Du schweigst. Gott erinnert so oft eher an den „unbewegten Beweger“ als an den „guten Hirten“. Der Glaube von so vielen ist an diesem Schweigen zerbrochen – und dies verständlicherweise, war ihr Gebet doch oft der letzte Hoffnungsschrei, der nicht erhört wurde. Und wenn das Schweigen in Grenzsituationen den Glauben auch nicht zerbricht, weckt es zumindest Zweifel.

Auch Jesus kannte diese Erfahrung: „Mein Gott, mein Gott, wozu hast du mich verlassen“ (Mt 27,46) ist der Schrei eines Nicht-Geretteten. Und auch die Bitte Jesu „Lass diesen Kelch an mir vorübergehen“ (Mk 14,36) scheint eher eine offene Frage widerzuspiegeln: Ist das wirklich notwendig? Wie auch die Antwort ausfallen mag: Am Karsamstag ist Jesus tot. Der Gekreuzigte ist gestorben, wurde begraben und befindet sich im Reich der Toten. Und Gott schweigt.

Der Karsamstag ist kein Brückentag, damit wir zu den „drei Tagen“ kommen. Der Karsamstag ist auch kein leises Schweigen, bevor das große Happyend kommt, mit dem man die Erfahrung des Freitags schnell vergessen kann. Die Erfahrung des toten Gottessohnes und des totenstill schweigenden Gottvaters ist unerträglich.

Diese Erfahrung muss ernstgenommen werden. Nicht, weil man gerne zweifelt, sondern weil der Gott der Christen ein schwieriger Gott ist: Er ist kein Garant eines glücklichen und gelungen Lebens, kein Kuschelgott. Er ist ein unverständlicher Gott. Der Glaube an ihn hat einen Zwillingsbruder: den Zweifel. Wenn der Zweifel zu viel Raum bekommt, kann er den Glauben verdrängen. Wenn er aber neben dem Glauben steht, ist er ein Geschenk: Denn er ist der Erzfeind jedes Fundamentalismus und gleichzeitig der Mahner, der darauf hinweist, dass das Christentum keine Siegerreligion, sondern eine Hoffnung ist.

Abraham wird als Vater des Glaubens bezeichnet, denn „wo keine Hoffnung war, hat er auf Hoffnung hin geglaubt“ (Röm 4,18). Mit einem Hoffnungsruf endet auch der eingangs zitierte Psalm: „Ja, er wird Israel erlösen“ (Ps 130,8). Erst diese drei: Glaube, Zweifel und Hoffnung spiegeln den Charakter des Exodus wider und lassen Ostern nicht als ein banales Happyend, sondern als die wunderbare Nacht, als ein Wunder eben, erscheinen.

Dr. Piotr KUBASIAK, THEOLOGISCHE KURSE


Erstveröffentlichung: https://www.meinekirchenzeitung.at/niederoesterreich-kirche-bunt/c-glaube-spiritualitaet/karsamstag-der-tag-des-vermissten-gottes_a20413?ref=curate

3 Antworten auf „Karsamstag: Der Tag des vermissten Gottes“

  1. Gott ist nicht der kleine, endliche und beschränkte Horziont des Menschen. Dann sollte Gott für uns auch kein kleines Göttlein sein und darf auch wirklich Gott sein, über Leid und Tod hinaus. Damit stellt sich immer die Frage: Was und wem möchte ich vertrauen, für was und wen möchte ich alles los lassen, da ich ohne hin vertrauen und loslassen muss, weil ich nur ein Mensch bin. Die Entscheidung kann und will uns Gott nicht abnehmen, weil ihm unsere freie Antwort superwichtig ist!

  2. Dieser Link zum Karfreitag wurde mir geschickt, ich würde nicht danach suchen. Gott ist in meinen Augen nicht gerecht, er ist unberechenbar, unnahbar. Selbst sein Sohn sah das ein. Da schickt jemand seinen Sohn, sein Kind, wie auch immer man das sieht, auf diese Erde und lässt ihn sterben. Theologie erklärt dann, dass dieses Sterben notwendig war, um die Sünde unschädlich zu machen. Das ist unbegreiflich und nur durch unbeirrbaren Glauben erträglich.

    1. Sie gingen gebeugt und schwer im letzten Licht.
      Ein fremder Mann ging mit ihnen.
      Sie kannten ihn nicht.
      Und einer sah übers Ährenfeld und fühlte seine Augen brennen.
      Und sprach: Dass es Menschen gibt, die für Menschen sterben können!
      Und er fühlte Staunen in sich (als er weiterspann):
      Und dass es Dinge gibt, für die man sterben kann.
      Und jeder hat sie, und er hat sie nicht.
      Weil er´s nicht weiss. – Das sagte er im allerletzten Licht.
      (Aus: Bert Brecht: Epilog des Karfreitags)

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