Taufe in die Kirche von morgen …

In der Vierzigtagezeit vor Ostern sind Christ*innen eingeladen, ihrer Taufe zu gedenken und nötigenfalls ihr Leben zu revidieren. Damit sind sie Erben der Taufbewerber*innen und der Büßer*innen, die in altkirchlicher Zeit von den Gemeinden solidarisch auf dem Weg zu ihrer Aufnahme oder Wiederaufnahme (nach kirchentrennender Schuld) in die Kirche begleitet wurden. Nach Durchsetzung der Unmündigentaufe und später der Beichte verliert sich im „christlichen Abendland“ die Spur dieser Personengruppen weitgehend.

Neue Wege zur Taufe …

Vor bald 50 Jahren hat jedoch die vom Zweiten Vatikanischen Konzil angestoßene Liturgiereform den Katechumenat für erwachsene Taufbewerber*innen und Kinder im Schulalter wiederhergestellt. Die danach erneuerten liturgischen Bücher bieten etliche Feiern, die eine selbstverantwortete, entschiedene Christwerdung strukturieren, begleiten und unterstützen. Wie den Konzilsvätern schien es den deutschsprachigen Bischöfen als ein „Zeichen der Zeit“, die schwindende familiäre Weitergabe des Glaubens durch eine „erwachsenen Menschen gemäße“ Initiation in den christlichen Glauben zumindest zu ergänzen. Überdies erkannte man im vormals kommunistischen Osten Deutschlands einen erheblichen Bedarf an Evangelisierung. Im traditionell katholischen Österreich schien daran (vorerst) kein Bedarf zu bestehen, doch lassen die Zahlen der Kirchenaustritte immer deutlicher das Ende der Volkskirche erkennen. Ist damit auch die seit dem 4. Jahrhundert selbstverständliche Taufe von kleinsten Kindern ans Ende gekommen? Die wohl erst mit der Lehre vom peccatum originale theologisch legitimiert werden konnte und in der Angst um eventuell ungetauft verstorbene Kinder ihr stärkstes Movens gefunden hat? Wurden und werden aber die neu- und wiedereröffneten Wege zur Taufe seither beschritten?

Eine im Sommer 2021 in ganz Österreich durchgeführte Befragung der für die Taufen verantwortlichen Pfarrer sollte zutage bringen, ob die Vorbereitung von Erwachsenen (und Schulkindern) auf ihre Eingliederung in die gemeindliche Praxis Eingang gefunden hat.[1] Dies nicht zuletzt, um für das kirchliche Leben in einer veränderten Sozialgestalt gerüstet zu sein. Dafür könnte die Erinnerung an die eigene Taufe eine wichtige Quelle sein, denn darin gründet das christliche Selbstbewusstsein: Nirgendwo sonst wird in vergleichbarer Intensität und symbolischer Dichte die Wandlung des Menschen in „neue Schöpfung“ (2 Kor 5,17; Gal 6,15) leibhaftig erfahrbar.

Nicht ohne Grund gelten Taufe und Eucharistie als jene sakramentalen Feiern, ohne die Kirche nicht „ist“. Und doch haben viele, in Österreich die allermeisten Getauften an ihre Christwerdung keine Erinnerung – wie also sollen sie ohne jeden Erfahrungsbezug dieses Ereignisses „gedenken“?

… oder Verbleib in ausgetretenen Pfaden

Das Ergebnis der Umfrage ist ernüchternd: Vielerorts stellt sich mangels Interesse und Gelegenheit die Frage nach der Verwendung der liturgischen Bücher und seiner katechumenalen Feiern erst gar nicht. Defizite in der liturgischen Bildung des Pfarrklerus und der Laien sowie Verbesserungsbedarf in der (strukturellen) Kooperation der Verantwortlichen werden in den Antworten thematisiert, aber nicht priorisiert.

Trotz abnehmender Taufzahlen ist die Säuglingstaufe nach wie vor selbstverständliche Praxis – sei es älteren Verwandten zuliebe oder „weil es dazugehört“ – ohne Unterschied, ob gläubige, agnostische oder am kirchlichen Leben eher weniger als mehr interessierte Eltern ihr Kind zur Taufe bringen. So wird nach einem obligatorischen Taufgespräch mit dem Pfarrer der Tauftermin, bevorzugt an Samstagen, Sonn- oder Feiertagen, vereinbart – gemäß den Wünschen vieler Eltern und Pfarrer allerdings fast nie in Gemeindegottesdiensten. Die Möglichkeit stärker auf individuelle Elternwünsche einzugehen und ein familienfreundliches Gesicht von Kirche zu zeigen wird mehr geschätzt als die „erzwungene“ Einbindung in eine (theoretische?) Sonntagsgottesdienstgemeinschaft. Viele Pfarrer sehen im Familienfest deshalb den größeren pastoralen Nutzen.

Die Osternacht ist nur im Zusammenhang mit der Initiation von Jugendlichen oder Erwachsenen erste Wahl; für jüngere ungetaufte Kinder im Schulalter bietet sich immer häufiger die Vorbereitungszeit zur Ersteucharistie (meist im Alter von 8 Jahren) oder deren Feier an, um die Taufe „nachzuholen“ – wodurch ihr eher das Versäumnis anhaftet als dass sie als Glücksfall wahrgenommen wird.

Im seltenen Fall einer bevorstehenden Jugendlichen- oder Erwachsenentaufe ist die mit Abstand häufigste Feier unter Gemeindebeteiligung die Aufnahme in den Katechumenat, gefolgt von Übergaben, Salbungen, Segnungen, Skrutinien und dem Effata-Ritus. Die Feier der Zulassung mit dem Bischof wird nur bei Asylwerbern oder Asylberechtigten gemeindlich mitgetragen. Fast nie wird die Gelegenheit zur mystagogischen Vertiefung des Erlebten mit den Neugetauften ergriffen.

Feiern, die im Rahmen der gewohnten Gemeindemesse stattfinden (können), sind sehr viel häufiger als solche, die im gemeindlichen Kalender zeitlich oder örtlich extra anzusetzen wären. Insgesamt konzentriert sich das Interesse auf den Anfang der intensiven Vorbereitungszeit und lässt in deren Verlauf nach. Die Initiation selbst bildet dann den Höhepunkt und fast immer auch den Schlusspunkt der gemeinsamen Aktivität der Neophyten und ihrer Begleitung.

Die inhaltlichen Schwerpunkte während des Katechumenats liegen zumeist auf der Kenntnis der Bibel, der Zehn Gebote, der wichtigsten Dogmen und des Kirchenjahres. Die Liturgie als primärer Lernort des Glaubens wurde in den Antworten hingegen nur ein einziges Mal genannt, „damit die Vorbereitung des (meist fremdsprachigen) Katechumenen nicht nur theoretisch, sondern mit allen Sinnen erfolgen“ kann. Dazu passt leider, dass die unterschiedlichen liturgischen Bücher mancherorts selbst Klerikern so wenig bekannt (oder nicht verfügbar) sind, dass schon einmal ein Schulkind nach dem Säuglingstaufritual getauft wird …

Zuletzt waren die Pfarrer um ihre Einschätzung gebeten, ob und wie sich die Teilnahme getaufter Gläubiger am Prozess der Christwerdung anderer auf das eigene Taufbewusstsein auswirken könnte. Wo diese Erfahrung fehlt, wird eine mögliche Wirkung skeptisch beurteilt und auch nicht vermisst; wo hingegen Erwachsenentaufe miterlebt werden können, zeigt sich ein positiver Einfluss, der alle Beteiligten spirituell bereichert.

Trotz engagierter Bemühungen auf diözesaner Ebene ist die Eingliederung Erwachsener für Österreichs Katholik*innen kein Thema: Sie gilt als Minderheitenprogramm, „für andere“, womit vor allem Migrant*innnen und Asylwerbende gemeint sind. Sogar für Verantwortliche (meist Laien), die begeistert Menschen zur Taufe begleiten, kommt kaum in Betracht, in den eigenen Kreisen ein Kind später zu taufen. Christliche Eltern sehen keinen Mehrwert im persönlichen „Ja-Wort“ ihrer Kinder zum Glauben, selbst wenn sie diese bewusst ins christlich-kirchliche Leben einzuführen beabsichtigen.

Eine Taufe – zwei Sakramente?

Zugegebenermaßen erreicht die Eingliederung Jugendlicher und Erwachsener kirchenrechtlich und dogmatisch kein anderes Ergebnis als eine Unmündigentaufe: nämlich die offiziell festgestellte Zugehörigkeit zur Kirche.

Einige Unterschiede beider Taufriten hingegen sind so gravierend, als handle es sich um zwei völlig verschiedene Sakramente: Für wen steht welcher Weg zur Taufe offen? Zu welchen Bedingungen wird jemand „neue Schöpfung“? Ontologisch-wesensmäßig oder existentiell? Ist der Taufkandidat Subjekt oder Objekt der Feier? Beide Modelle der Eingliederung in die Kirche stehen unvermittelt nebeneinander und kommen in völlig unterschiedlichen Lebenssituationen zur Anwendung. Ihr teilweise gemeinsames rituelles Repertoire basiert auf je eigenen, nur schwer miteinander zu vereinbarenden anthropologischen und theologischen Prämissen. Kann der persönliche Glaube in einem Fall unabdingbar sein und im anderen völlig irrelevant? Können dieselben Riten und Symbole bedeutungsvoll sein und zugleich den Betroffenen (von ihnen unverstanden) appliziert werden? Insbesondere jene sakramentalen Vollzüge, die die christliche Existenz und das kirchliche Leben begründen und hervorbringen (sollen)?

Der paradigmatische Empfang eines Sakraments ohne konstitutive eigene Mitwirkung mag einst zeitbedingt plausibel gewesen sein, aber „dennoch beschädigt eine kirchliche Praxis, die nur auf die Gültigkeit bedacht ist, den sakramentalen Organismus der Kirche durch ihre auf Minimalbedingungen fokussierte Reduktion.“[2]. Daran laboriert die sakramentliche Feierkultur bis heute. Wenn nun aber „die sakramentale Logik […] die freie Antwort, die Annahme der Gabe Gottes, kurz: den Glauben – wenn er möglicherweise auch erst zu keimen beginnt – als konstitutiv und unabdingbar“ betrachtet „besonders auch für den Empfang der Taufe“[3], warum ist dann in den späteren Ausführungen der Internationalen Theologischen Kommission über die (Klein-) Kindertaufe davon keine Rede mehr? Vielmehr „veranschaulicht die Tatsache, dass der Glauben, in dem wir getauft wurden, der Glaube der Kirche ist“, denn „bei diesem Anlass fungieren die Eltern als Repräsentanten der Kirche, die deren Kinder in ihrer Mitte willkommen heißt.“ (Nr. 91)

Im Zugehen auf die Jahresfeier von Ostern

„Katechumenen und Gläubige bereitet die Liturgie der vierzig Tage zur Feier des Ostergeheimnisses; die einen durch die verschiedenen Stufen der Aufnahme in die Kirche, die anderen durch Taufgedächtnis und tätige Buße.“[4]

Das intensivste Taufgedächtnis bleibt mit der Teilnahme an der Taufe anderer verbunden. Jede Tauffeier bedürfte darum besonderer Sorgfalt im Umgang mit den symbolischen Sprach- und Zeichenhandlungen und eine entsprechende nicht nur katechetische, sondern auch mystagogische Aufmerksamkeit für die gefeierten Heilsereignisse. Letztere findet im deutschsprachigen Raum faktisch nicht statt. Zwar gibt es für das Miterleben ,fremder‘ Taufen im dortigen katholischen Milieu einige Bereitschaft, aber ohne Interesse an Konsequenzen für die ,heimische‘ Praxis. Der sensus fidei fidelium bleibt traditionell und sagt klar: Kinder katholischer Eltern sollen umgehend getauft werden.[5] Die mögliche Aufnahme auch neugeborener Kinder in den Katechumenat ist eine weithin unbekannte, möglicherweise auch wenig attraktive (weil zu fordernde?) Alternative. Das für die frühzeitige Taufe häufig vorgebrachte Argument, ungetaufte Kinder kämen mit dem christlichen Glauben nicht in Berührung, ist jedenfalls nicht stichhaltig. Keineswegs alle getauften Kinder werden im Glauben der Kirche erzogen oder erfahren auch nur davon. Umgekehrt werden christliche Eltern ihren Kindern ihren Glauben vorleben und sie darin einführen. Zudem besteht ihnen gegenüber nach der Aufnahme in den Katechumenat eine spezielle Bringschuld der Kirche, denn Katechumenen sind auf „besondere Weise mit der Kirche verbunden […], die sie schon als die ihren umsorgt“[6] und genießen in ihrem offiziellen Status bereits gewisse Vorrechte in der Kirche.

Auch sonst im Leben bedürfen wichtige Weichenstellungen weit mehr als der Vereinbarung zweier Termine. Warum sollte für den Prozess der (lebenslangen) Christwerdung nicht von Anfang an ausreichend Zeit genommen und eingeräumt werden? In Respekt vor der Glaubens- und Entscheidungsfreiheit junger und älterer, heranwachsender und erwachsener Gottsuchender, die bereit sind, sich auf ihren persönlichen Weg zum Glauben zu machen?

Warum nicht situationsgerecht taufen?

Die ausgeprägte Dichotomie der Taufpraxis ist keineswegs beispiellos. Bereits die Kirche im spätantiken Palästina des 4./5. Jahrhunderts kannte die anspruchsvolle und aufwändige Kathedraltaufe (die eine geordnete kirchliche Verwaltung zur Voraussetzung hatte) und ein stark vereinfachtes Taufritual ohne ausführliche Katechese, das der ruralen, oft nomadischen Mehrheitsbevölkerung entgegenkam.[7] Auch in den frühmittelalterlichen römischen Sakramentaren finden sich situationsbezogene Varianten: die ins Kirchenjahr integrierten Vollform als Einführung in Kirche und Gesellschaft unter bischöflicher Leitung sowie weitere – etwa für Kranke und Sterbende – verkürzte Formulare mit einem auf das Heilsnotwendige reduzierten Ritual.[8] Für die in den Pfarrkirchen das ganze Jahr hindurch selbstverständlich vollzogenen Taufen von Säuglingen waren die Riten des Katechumenats und der Eingliederung bereits zu einem „Ungetüm von Liturgie“ ohne Lebensbezug zusammengewachsen.[9] Welchem Zeremoniell man folgte, war von den Lebensumständen oder der gesellschaftlichen Stellung abhängig.

In diesen historischen Befund fügt sich die gegenwärtige Taufpraxis problemlos ein: Auch sie kann situationsbezogen rite et recte in mehr als einer Weise gültig und erlaubt gefeiert werden. Wäre deshalb nicht auch eine dem jeweiligen Setting adäquate Ritualität sinnvoll? Sie könnte sich bei Unmündigen auf die Bezeichnung mit dem Kreuz und die Kernhandlung mit dem Wasser (Übergießen oder Untertauchen) beschränken, welche das rettende Zusammenwachsen mit Christus gemäß Rom 6,5 verbürgt. Additiv aneinandergereihte Symbole, deren theologische, christologische, pneumatologische, anthropologische, soteriologische und ekklesiologische Implikationen von vielen Beteiligten kaum erfasst werden (können), sind wahrlich „verschenkt“. Später aber könnten, gemäß der eigenen Glaubensbiografie, die weiteren rituellen, teils katechumenalen, teils baptismalen, Feiern in einem oder mehreren Schritten folgen. Verdienen die mit der Initiation verbundenen Zusagen der Teilhabe am dreifachen Amt Christi als König, Priester und Prophet, an der Geistsalbung und Erleuchtung, an der Bekleidung mit der österlichen Existenz des Auferstandenen nicht Gehör, Zustimmung, Erleben und leibhaftige Annahme? Um sie ein Leben lang „erinnern“ und verinnerlichen zu können?

DDr. Ingrid Fischer, THEOLOGISCHE KURSE


Fußnoten:

[1] Erschienen als Beitrag von Ingrid Fischer, Ich glaube. Erfahrungen aus 50 Jahren Erwachseneninitiation in Österreich, in: „… und Christus wird dein Licht sein“ (Eph 5,14). Taufberufung als dialogisches Christus-Geschehen (hgg. von Christoph Freilinger & Florian Wegscheider), Pustet 2022, 306–349.

[2] Internationale Theologische Kommission, Reziprozität, Nr. 66.

[3] Ebd. 67.

[4] Grundordnung des Kirchenjahres, Nr. 27.

[5] Vgl. CIC 1983 can. 867.

[6] Ebd. 206 §1+§ 2.

[7] Vgl. die Studie von Juliette Day, Baptism in Early Byzantine Palestine 325–451, Cambridge 1999.

[8] Vgl. Bruno Kleinheyer, Die Feier der Taufe seit dem Frühmittelalter, in: GDK 7,1 Sakramentliche Feiern I. Die Feiern der Eingliederung in die Kirche, Regensburg 1989, S. 96 –135;

[9] August Jilek, Eintauchen, Handauflegen Brotbrechen. Eine Einführung in die Feiern von Taufe, Firmung und Erstkommunion, Regensburg 1996, S. 107.

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