Beitrag von Univ.-Prof. Dr. Dr.habil Hans-Joachim Sander, Universität Salzburg
[Dieser Text ist hier auch als PDF erhältlich: Hinführung zur Dogmatik-Teil2]
Liebe Studierende,
zunächst wie immer am Anfang die Tageslosung der Herrenhuter: Wandelt als Kinder des Lichts; die Frucht des Lichts ist lauter Güte und Gerechtigkeit und Wahrheit. Epheser 5,8-9
Wir hatten im ersten Teil einerseits die Herkunft des Diskurses bestimmt, den wir Dogmatik nennen – das frühe 16. Jhd. im Wechsel der Wissensform zu loci, also Fundstellen von Argbumenten –, dann eine Formel gesucht, wann Dogmatik gut ist und wann sie nicht funktioniert – der Gegensatz von Dogmatik zum Dogmatismus – und wir hatten auch schon den Schlüssel für dogmatische Fundstellen benannt – die Autorität im Gegenüber zur Macht. Dabei gibt es weitere Differenzierungen, die sich aus der Überwindung binärer Codierungen ergeben. Die Fundstellen, loci, gelten damals (als Frucht des humanistischen Denkens, Agricolas De inventione dialectica, also der Aussöhnung von Logik und Rhetorik) für alle Wissenschaften. Sie nötigen dazu, sowohl die loci theologici zu erfassen, in denen die Rede von Gott heimisch ist (also Bibel, Tradition, Kirchenväter, die Kirche selbst, die römische Kirche etc.), als auch jene Fundstellen auszumachen, denen sie nicht ausweichen kann, obwohl sie ihr fremd sind, ja, sie befremden – also die loci theologici alieni. In dieser Konzeption, die von Melchior Cano stammt, erschließen sich im 16. Jhd. bereits drei solche befremdliche Fundstellen: Vernunft, Philosophie (was heute den Wissenschaften allgemein entspricht) und schließlich die Geschichte (historia). Diese Fundstellen sind befremdlich, aber sie haben auctoritas. „Hinführung zur Dogmatik – Teil 2“ weiterlesen