„Sagt den Verzagten: Habt Mut, fürchtet Euch nicht“ (Jes 35,4) – Dem „göttlichen Fänger“ vertrauen!

Prof. Dr. Jozef Niewiadomski beim Tag der PfarrgemeinderätInnen am 9. September 2023

[YHHH – ein Angstschrei] … Die Kinder hielten den Atem an. Und dann: [Wow! – ein Schrei der Entspannung]: dann der Schrei der Entspannung und Bewunderung –Sie saßen im Zirkuszelt, bei der Nachmittagsvorstellung, und schauten gerade auf den jungen Flieger, kaum älter als sie selber. Es hat ihnen regelrecht den Atem verschlagen, als sie den halsbrecherischen Salto Mortale sahen. Und nun, nun stand er oben, im Scheinwerferlicht auf dem Trapez. Sie klatschten und schrien. Der Flieger schien ihnen zuzuwinken. Da sagte die Lehrerin: „Er kommt zu uns in die Schule, wird mit euch reden.“ „Cool!“, lautete der unisono ausgestoßene Begeisterungsschrei.

Und jetzt: jetzt saß er direkt vor ihnen. Die Augen der Kinder glänzten. Der Flieger erzählte ihnen von seiner Jugend, von seinem Training, von seinen Hobbies. Und dann fragte er die Kinder: „Kinder, was glaubt ihr denn, wer der Star des Trapezes ist?“ „Du!“, antworteten die Kinder. „Falsch“, entgegnete der Akrobat, „der eigentliche Held, und damit auch der eigentliche Star des Trapezes, das ist mein Fänger. Ich mache bloß ein paar Drehungen in der Luft. Er, er dagegen …“ – die Kinder hielten den Atem an, „er dagegen, er muss mich fangen, ganz präzise, in jenem Bruchteil der Sekunde fangen, wo ich auf ihn in der Luft zusteuere. Ich strecke nur meine Arme aus … fliege und warte, dass er mich auffängt.“

Die Augen der Kinder wurden größer und größer, sie glaubten, der Flieger will sie absichtlich täuschen. Eines der Kinder traute sich zu fragen: „Und du, du machst gar nichts?“ Der Flieger lächelte und sagte: „Eigentlich nicht. Wisst ihr, das wäre das Schlimmste, was ein Flieger tun könnte: wenn er versuchen würde, den Fänger selber zu fassen. Da wird er nur seine Handgelenke verstauchen, und auch die Handgelenke seines Fängers. Merkt euch bloß: der Flieger fliegt, der Fänger fängt. Der Flieger muss vertrauen – der Fänger darf das Vertrauen nicht enttäuschen. Würde ich mein Vertrauen auf den Fänger verlieren, so würde ich oben auf dem Trapez stehen, schweißgebadet, unfähig zur kleinsten Bewegung… Der Flieger muss vertrauen… Nur so hat er keine Angst!“

Meine Damen und Herren,

Warum gibt es so viel Ängste in unserer Welt? Warum sind wir, die Gläubigen in der Katholischen Kirche, warum sind wir so oft verzagt? Warum gibt es vielerorts so viele erschlaffte Hände und wankende Knie? Weil der göttliche Fänger auf dem lebensgeschichtlichen Trapez der Menschheit sein Lieblingsgeschöpf – seine Fliegerin par excellence: die Kirche nicht mehr auffängt? Sie also gnadenlos fallen lässt? Seine tragenden Hände zurück nimmt, weil sich etliche Amtsträger des Missbrauchs schuldig gemacht haben, selber versuchten sich der Hände des göttlichen Fängers zu bemächtigen, diese auch in gottlästerlicher Art ergriffen, sich dabei bloß ihre Handgelenke verstauchten? Und Gott deswegen sein Angesicht verhüllte?

Nein! Wir selber, die Haupt- und Ehrenamtlichen, haben das Vertrauen in diesen göttlichen Fänger verloren. So paradox es zuerst klingen mag, haben wir IHN und den Glauben an seine uns tragende Gegenwart in unserem Denken durch die Macht soziologischer Prognosen und statistischer Daten ersetzt. Wie das Kaninchen auf die Schlange starrt, so starren wir auf die medial vervielfältigten und verstärkten Urteile: Deren Grundtenor wird ja immer eindeutiger: die Kirche hierzulande wird schwächer; schlimmer noch: der christliche Glaube der Bevölkerung schmilzt. Der modern sein wollende Zeitgenosse wird kaum ein gutes Wort über die Kirche zu sagen haben. Die Sprache der Schlagzeilen aufgreifend, fällt die Öffentlichkeit ihr klares Urteil, dass die Kirche stirbt. Gott und die Ewigkeit sind dieser Kultur bloß Schnee von gestern. Ist das aber ein Grund zum Jubeln?

Als Pfarrgemeinderätinnen und Räte sind wir zurecht betroffen. Auch wenn wir die Frage verdrängen, ist sie doch ständig in unserem Unterbewusstsein da: Stehen wir nur noch für eine „Welt von gestern“ da? Wer will sich auf einem untergehenden Schiff engagieren? Welche Einsichten können uns da weiterhelfen?

Zwei Urteile dazu: Schon vor Jahren formulierte eine kluge und gelehrte Frau (Marianne Gronemeyer) Folgendes: die kulturelle Abschaffung der Ewigkeit verwandelt dieses Leben zur letzten Gelegenheit, der letzten Gelegenheit etwas zu leisten und etwas zu erleben. Die Folge davon sind Leistungs- und Erlebnisstress. Die Gelassenheit, die gläubige Gelassenheit geht unserer Welt abhanden. So das Urteil über die Moderne, jene Epoche, die bloß das Diesseits kennt, weil sie dem Glauben verfallen ist, dass das Jenseits die Lebensqualität vermindert. Und das allgegenwärtige Rezept? Koste das Leben aus! Lebe, weil es nur dieses Leben vor dem Tod gibt. Sonst gar nicht. Was auf den ersten Blick ein biographischer Fortschritt zu sein schien (zumindest solange man selber jung, schön, gesund und potent ist), entpuppt sich als eine Falle: das Leben, dieses Leben wird zur letzten Gelegenheit – die Gelassenheit geht verloren.

Und ich ergänze: an die Stelle der Gelassenheit setzten sich Ängste fest. Ängste, zu kurz zu kommen, Ängste, etwas zu verpassen, Ängste vor Krankheit und Tod. Von der Ideologie des Aufstiegs, der freigelassenen Konkurrenz, der Logik des Seitenblicks und des Neides schon ganz zu schweigen. Die Folge davon ist die Karikatur des Menschseins: der moderne Mensch, der in der Logik von Aufstieg und Fall gefangen bleibt, wird nach und nach zum selbstbezogenen Individualisten, dem klassischen homo incurvatus in se ipsum (einer geballten Faust nicht ganz unähnlich).

Und das zweite Urteil: Ein kluger und gelehrter Mann (Emil Cioran) sinnierte: “Wie recht man hatte, einst den Tageslauf mit einem Gebet, einem Hilferuf zu beginnen! Da wir nicht wissen, an wen wir uns wenden sollen, werden wir uns schließlich vor der nächstbesten verrückten Gottheit in den Staub werfen.” Und – wiederum ergänze ich und frage – wie heißen sie: die heutigen Gottheiten? Trends! Kulturelle Trends, Modetrends, zu denen auch der Trend des Kirchenaustritts gehört: die Trends treiben unsere Welt an; Wie die Götter diktieren sie uns was wir zu tun und zu lassen haben, was wir denken sollen und wovor wir uns fürchten müssen. Denn: Auch Ängste werden zu Trends, wie wir an der gegenwärtigen Klimadebatte sehen. Und Katastrophenbewusstsein kann lähmen, oder aber zu einem atemraubenden Aktionismus verführen. Dem Aktionismus, der mit der Zeit erschreckende Folgen haben kann: denn kein Trend vermag das Leben durch die Krankheit hindurch, ja durch den Tod hindurch zu retten. So etwas vermochten die alten Götter nicht – nur der wahre Gott kann das Leben, das ewige Leben schenken.

Beide Urteile (das Urteil der klugen und gelehrten Frau und jenes des genauso klugen und gelehrten Mannes) zeigen die erschreckende Kehrseite der modernen Zeit und zwingen zu einer sarkastischen Bemerkung, in der die unerwünschten Folgen einer bloß auf Trends bauenden Biographie – gerade bei den jungen Leuten – sichtbar wird: Wenn man nur noch modern sein will, dann wird man auch modern! Dasselbe Wort nur anders betont. (Jemand hat mal das anders formuliert, wer nur den Zeitgeist heiratet, wird bald zur Witwe, mit aller Brutalität wird er erfahren, dass seine Welt schnell die Welt von gestern sein wird).

Warum sind wir also – die Gläubigen in der Katholischen Kirche – oft verzagt? Bloß der Kirche wegen? Des Missbrauchs dort? Der Austrittswelle und der Schnellschüsse in den Medien, diese Kirche sei ihrer Reformunfähigkeit zum Sterben verurteilt. Die evangelische Kirche dagegen? Sie hat u.U. noch größere Austrittszahlen. Wenn nicht der Kirche wegen, dann…? Macht uns der Krieg, die kaum mehr überschaubaren Flüchtlingswellen und die sich rapid steigernde Migration zu schaffen? Ist es die Teuerung? Oder verdunkelt uns die Botschaft von der Klimakrise den Zukunftshorizont? All diese Phänomene erschüttern unsere moderne Welt und fordern auch auf eine wohl kaum zu überbietender Weise die Kirchen heraus. Denn auch die Kirchen sind ein Teil dieser Welt.  Wir sitzen mit Agnostikern und Nichtglaubenden und auch mit Kirchenfressern im selben Boot, dem Boot, das durch die Krise hin und her gebeutelt wird. Und die entscheidende Frage lautet nun: Gibt es da einen Unterschied zwischen uns und den anderen? Wie steht es um unser gläubiges Vertrauen in den göttlichen Fänger?  

Dieser ruft uns nämlich von seinem himmlischen Trapez zu:

Habt Mut! Als Pfarrgemeinderätinnen und Räte: habt Mut. Ihr seid ja die Flieger auf dem lebensgeschichtlichen Trapez der Menschheit, jene Flieger in einer Pfarre, die sich nicht nur selber zu diesem Flug entschieden haben, oder von den anderen gewählt wurden; ich selber – der göttliche Fänger – habe euch nämlich erwählt. Und ich möchte Euch als Gestalter der neuen kirchlichen Zukunft inspirieren, euch Vertrauen schenken. Damit ihr fliegen könnt, aber auch damit ihr andere in meinem Namen auffangen könnt. Den Flieger und Fänger im Gottes Namen seid ihr. Fliegt also, fliegt überall dorthin, wo es nötig ist. Wagt gar einen Salto mortale, aber bitte nicht im Glauben, dass ihr allmächtig seid. Die Allmacht sollt ihr bitte mir überlassen. Und last euch nicht von Ängsten überwältigen! Denkt beispielsweise an Noah und die biblische Sintflut, die ja die ganze ihm bekannte Erde überflutete. Er vertraute mir, gab den Glauben, dass ich ihn auffange nicht auf und deswegen tat er das, was er zu tun vermochte, verfiel weder dem Defätismus, noch dem Irrglauben, er könne die ganze Erde retten. Denkt an die sieben Jahre Trockenheit in Ägypten und den Josef, der aufgrund meiner Inspiration klug in dieser Krise agierte. Denkt an die Dürre in der Zeit des Propheten Elija, vor allem aber denkt an das Volk Israel im babylonischen Exil. Alles, aber gar alles schien zu Ende zu sein, weil der Staat zugrunde ging und die Institutionen zerschlagen wurden. Gar der Tempel zerstört. Wie mächtig war da die Versuchung unter den Exulanten zu glauben, sie wären die letzte Generation. Nicht diese Versuchung hat sie gerettet. Und auch nicht Steigerung der Ängste. Es war der Glaube – oft ein schwacher Glaube –, der Glaube, dass ich, ihr Gott, sie nicht fallen lasse, und wenn sie selber fallen, dann fallen sie nicht tiefer als in meine Hand: in die Hand Gottes. Nur dieser Glaube hat ihnen die Zukunft eröffnet.

Meine Damen und Herren: ist das nur ein frommes Geplapper eines alt gewordenen Priesters und Professors? Erlauben sie mir hier zwei religionssoziologische (also rational verantwortbare wissenschaftliche) Zwischenbemerkungen: in der alten Welt gingen normalerweise mit dem Zusammenbruch von politischen und gesellschaftlichen Strukturen die von diesen Strukturen lebendig gehaltenen Religionsgemeinschaften (wenn sie so wollen: so etwas wie Volkskirchen) samt der von ihnen geglaubten Götter zugrunde. Und dies deswegen, weil – zugespitzt formuliert – dieser Glaube nur ein Abklatsch der kulturell-gesellschaftlichen Mechanismen und Plausibilitäten war. Sind diese Plausibilitäten durch eine andere Kultur ersetzt worden, verschwand auch die darin verankerte Religion. Auf dieser Erkenntnis bauen heutzutage all jene, die nur das Mantra von der sich radikal verändernden Welt singen und daraus ableiten, dass die Kirche mit dieser Veränderung zugrunde gehen wird. Außer: sie passt sich radikal den neu aufkommenden Kulturen und Strukturen. Was diese Theoretiker aber verdrängen ist die Ausnahme von der Regel, jene Ausnahme, die einem Wunder in dieser alten Welt gleicht. Mit dem Zusammenbruch der Staaten Juda und Israel verschwindet die Religion des Judentums nicht. Gott Jahwe wird im Babylonischen Exil nicht durch den babylonischen Marduk ersetzt. Die Gläubigen Juden ordnen sich nicht den neuen Trends unter und werfen ihre althergebrachte Religiosität weg. Ganz im Gegenteil: Im babylonischen Exil – dort wo die Religiosität der geschlagenen Judäer nach religionssoziologischen Maßstäben sterben müsste – dort, genau dort tritt sie in ihr goldenes Zeitalter. Es ist dies dieselbe Dynamik, die wir im Geheimnis des Kreuzes bezeugen. Dort wo der Tod das letzte Wort haben sollte, dort erblüht mit der Auferweckung Jesu neues, ungeahntes Leben. Und warum dies? Weil der lebendige Gott selber und nicht unser menschliches „Gschaftln“ die Zukunft eröffnet. Weil der göttliche Geist und die von ihm beflügelten Menschen, nicht aber die Strukturen über die radikale Krise hinwegretten. Aus dem Glauben an den „göttlichen Fänger“ heraus, den „Fänger“, der sie nicht fallen lässt, mehr noch: dass er im Exil mit dabei ist, in seinem Sohn gar tiefer fällt, als der Mensch je zu fallen vermag, aus diesem Glauben heraus fanden fortan die Menschen in den denkbar schlimmsten Lebenssituationen Hoffnung, damit auch die Möglichkeit gläubig Zukunft zu gestalten.

Deswegen die Analyse und auch der Rat des vermutlich klügsten unter den deutschsprachigen Religionssoziologen: Franz-Xaver Kaufmann:  Wer nur noch an das Sterben der Kirche glaubt, wird dieses Sterben auch erleben. Soll Dein Glaube zukunftsfähig sein, so glaube, bete, öffne Dich für die Worte der Bibel und wähle aus dem Schatz der christlichen Tradition, was Dich anspricht. Und handle mit diesem Kompass nach Deiner Vernunft. Aber auch dies ist keine Garantie, dass nicht auch Du manchmal in Deinem Leben rufst: ‘Mein Gott warum hast Du mich verlassen? ’ Ich selbst (so der Soziologe) hatte das Glück, beim Sterben meiner Mutter ihre letzten Worte hören zu dürfen: ‘Zu Gott, zu Gott, in die Ewigkeit. ’ Das war unverdiente Gnade, ein Proviant fürs geistige Leben, von dem ich bis heute zehre.”

Was bedeuten diese Worte des gelehrten Mannes für uns: für die Pfarrgemeinderätinnen und Räte, die wir vielleicht an den liebgewonnenen alten Formen hängen, durch die Erinnerung an die Lebendigkeit des religiösen Lebens in der eigenen Jugend mehr entmutigt als ermutigt werden, weil uns die ganz anders gelagerte Bilder der Gegenwart Angst machen? Glauben wir! Glauben wir, dass Gott, „der himmlische Fänger“ uns gerade in dieser Situation bei unseren Lebensflügen auffängt! Bei den Versuchen sich zu engagieren, so klein diese Versuche oft sein mögen. Glauben wir: Dann wird auch unsere Kirche Zukunft haben.

Und wozu soll das gut sein? Wozu soll es gut sein, dass in unserer so schönen ländlichen Region, wo in den meisten Orten noch Kirchen stehen, wo kleine Pfarren existieren, in denen überall Pfarrgemeinderäte ihre Zeit dieser konkreten Kirche schenken? Wozu soll das gut sein? Ist das nicht alles Schnee von gestern, also unmodern? Sind nicht all die Strukturreformen bloß verlorene Liebesmüh?

Lassen sie sich durch ein Gedicht verzaubern!

“Wenn alle je vier Äpfel hätten, wenn alle gesund und stark wären wie ein Ross, wenn alle gleich wehrlos wären in der Liebe, wenn jeder dasselbe hätte, dann brauchte keiner den anderen

Ich danke dir, dass deine Gerechtigkeit Ungleichheit ist, was ich habe und was ich nicht habe, sogar wofür es keine Abnehmer gibt, all das kann doch jemand nötig sein, es gibt die Nacht, damit es den Tag gibt, es ist dunkel, damit die Sterne leuchten, es gibt die letzte Begegnung und die erste Trennung, wir beten, weil andere nicht beten, wir glauben, weil andere nicht glauben, wir sterben für die, die nicht sterben wollen, wir lieben, weil anderen das Herz erkaltet ist, ein Brief nähert, weil ein anderer entfernt … ungleiche brauchen einander, sie verstehen am besten, dass alle auf alle angewiesen sind und ahnen das Ganze.”

Was ist die Pointe dieser Zeilen? Es ist ein Irrtum zu glauben, eine moderne, säkularisierte Welt, eine Welt, die durch Trends und Ängste getrieben wird, eine Welt, der öfters als man es wahrnimmt die Puste ausgeht, diese Welt brauche die Kirche nicht und sie brauche Gott nicht. Das Gegenteil ist der Fall. Vielleicht besteht die Tragödie unserer Zeit darin, dass wir als Kirche krampfhaft der Welt signalisieren: die Kirche sei der Welt gleich. Ihre Maßstäbe sollen mit denen der Welt identisch werden. (Dass die medial strukturierte Öffentlichkeit dies gerne hätte, wenn sie permanent die Kirche auf die Ebene einer Art politischer Partei, oder humanitärerer NGO herunterzerrt, steht auf einem anderen Blatt).

Meine Damen und Herren, spätestens jetzt  haben all diejenigen, die sich an diesem Vormittag von mir einen Vortrag erwartet haben in dem ich die ganze Litanei der medial transportieren Reformvorschläge abarbeite und auch klare Optionen (in Sachen Zölibat, Priestertum der Frau, Abbau  von Hierarchie und Demokratisierung der Kirche) treffe; (sie haben) gemerkt, dass sie enttäuscht werden. Angesichts unserer krisengeschüttelten globalisierten Welt und der Allmachtsphantasien, die zu Kirchenträumen und gesellschaftlichen Utopien verführen, Utopien, die in kürzester Zeit zu Traumata werden, ist die Rückbesinnung auf den Kern dessen, was Religiosität ausmacht zur Bewältigung von Angst unerlässlich. Denn: Nur wenn wir das Ganze ahnen, können wir einander und auch den anderen Mut zusprechen!

„Das Ganze ahnen“: das ist der einzige Unterschied zwischen den Gläubigen, für die die Ewigkeit und der liebe Gott konstitutiv zu ihrem Weltbild gehören und den Nichtgläubigen. Was bedeutet es „Christlich das Ganze ahnen“?

Bereits seit dem Beginn meines Vortrags sehen Sie auf der Leinwand hinter mir in einer nicht allzu raschen Abfolge zwei Bilder von Marc Chagall wechseln. Das erste Bild, das Bild, in dem sich die vielen Geschichten des Lebens verdichten, steht paradigmatisch für jene Kultivierung des menschlichen Lebens, die ich mit der Kurzformel von „Miteinander essen und trinken und schlafen“ auf den Begriff zu bringen versuche. Unübersehbar groß im Zentrum des Bildes sieht man ein engumschlungenes Brautpaar. Es steht für die Vision eines Lebens, das von der Lebenslust geradezu pulsiert. (Liebevoll- boshaft könnte man sagen: nur ein zölibatärer Kleriker kann im engumschlungenen Paar den Inbegriff der Lebenslust erblicken, weil er ja ständig daran denkt und sich gerne in solchen Rollen wiederfindet. Und verdrängt auch die Tatsache, dass irgendwann der Arm einschläft.) Das Bild ist ein zutiefst religiöses Bild, ein Bild mit dem Titel „Befreiung“, gemalt im Jahr 1937. „Woran ist die Religiosität des Bildes ablesbar?“, werden Sie fragen. An der sofort ins Auge springenden Lebensqualität der Liebenden, der Musizierenden, der sich für ein menschenwürdiges, für ein gerechtes Leben Einsetzenden. Übersehen Sie nicht die roten Fahnen im Hintergrund, die ja für das Engagement und den Kampf stehen. Übersehen Sie aber auch die zwei Gestalten in der Ecke des Bildes links oben nicht. Sie sind mit einer anderen Maltechnik gemalt, einer Technik, die diese Gestalten abhebt von den auf der Oberfläche des Bildes dargestellten Personen, einer Technik, die diese beiden Gestalten auf einer Meta-Ebene platziert. Mose mit den Gesetzestafeln und der Gekreuzigte werden hier zum Fokus des auf dem Bild dargestellten Geschehens gemacht. Sie werden zur Perspektive, die das auf dem Bild dargestellte Leben ordnet und deutet. Die Gestalten, selber mehr geahnt als sofort gesehen, bilden also so etwas wie einen Rahmen, der das Leben auf dem Bild ermöglicht und uns allen „das Ganze ahnen lässt“. Es ist ein religiöser Rahmen, dem allerdings die „religiöse Pornographie“ fremd sei: Der Rahmen mit einer zur Schau getragenen Religiosität erschlägt die Alltagskultur nicht!

Der Fokus, den Chagall durch die zwei Gestalten andeutet und uns allen „das Ganze ahnen lässt“, steht für die auch heute noch anerkannte Bedeutung von Religion im kulturpolitischen Kontext. Und dies gar in einem zweifachen Sinn. Zuerst können Sie in ihm die moderne Ethisierung der Religion wiederfinden, schlussendlich steht Mose für den Dekalog. Emphatisch gedeutet können Sie darin gar das „Weltethos der Religionen“ finden und die Wertschätzung der „goldenen Regel“ für die Kultivierung des Zusammenlebens von Menschen. Zum anderen aber ist es die Empathie für die Opfer, die man an der Gestalt des Gekreuzigten ablesen kann, jene Empathie, die doch zu einem Qualitätsausweis unserer „humanistischen“ Kultur avancierte. Und ich lade Sie ein, sich selber zu fragen, was denn sich mittelfristig an der Atmosphäre des lebensfrohen Bildes von Chagall ändern würde, wenn – anstatt von Mose (anstatt also der Dekalogtradition) und anstatt des Gekreuzigten (anstatt der gelebten Empathie mit den Opfern) im Fokus – im normativen Blickwinkel des Bildes bloß die Warenkataloge der Kaufhäuser aufscheinen würden? Was würde die Abwesenheit des Ethischen und des Empathischen im normativen Rahmen einer Gesellschaft mittelfristig mit sich bringen? Was würde die radikale Befreiung von den scheinbar Repressiven – weil einengenden – Leitplanken inhaltlicher Art mit der Autobahn des Zusammenlebens machen? Jean Baudrillard hat in seinem Essay „Die Transparenz des Bösen“ die Frage, was denn nach der Orgie des Befreiung der sprichwörtlich emanzipatorischen Kultur der 68-er gekommen ist, mit einem sarkastisch anmutenden Hinweis beantwortet: Nicht das autonome Subjekt, sondern das Konsumindividuum.

Warum aber das zweite Bild? Weil es im Leben qualitativ verschiedene Situationen gibt. Weil etwas geschieht, wodurch die Karten neu gemischt werden. Das zweite Bild hat Chagall nach dem 2. Weltkrieg gemalt. Im Unterschied zum ersten – zum lebensfrohen – Bild ist dieses durch dunkle Farben dominiert. Es hat auch keine Meta-Ebene, scheinbar keinen Fokus, keine Perspektive, keinen – wenn auch nur unaufdringlich, aber doch präsenten – Rahmen für die vielen Geschichten. Nur der Gekreuzigte, der auf dem ersten Bild zusammen mit Mose den Blickwinkel andeutete, dieser Gekreuzigte ist nun im Zentrum des Bildes zu sehen. Überproportional groß. So als ob der Künstler damit sagen wollte: Es gibt nur noch eine Geschichte. Die Geschichte dieses Opfers, in der sich alle Lebensgeschichten als Opfergeschichten verdichten. Alle Gestalten des auf dem Bild dargestellten Geschehens – auch oder gerade Mose mit den Gesetzestafeln – sind auf das eine große Opfer hin geordnet. Zieht es die Menschen an oder stoßen die Menschen dieses Opfer aus? Integriert der Gekreuzigte oder wird er ausgegrenzt? Vielleicht beides zugleich? Was wollte der jüdische Maler Marc Chagall mit der Veränderung der Perspektive sagen? Wollte er – nach dem Inferno des Zweiten Weltkrieges –, wollte er damit andeuten, dass es so etwas gibt wie die Katastrophe der Ethik? Weil die „Banalität des Bösen“, die im Nationalsozialismus, aber auch im Stalinismus ihre Fratze auf brutalste Weise gezeigt hat, doch mehr beinhaltet als bloß die Summe der einzeln versagenden Individuen? Nimmt man solche Fragen ernst, dann wird man auch die Reduzierung der Religion auf Ethik hinterfragen. Dies umso mehr, als wir in unserer Gegenwart zunehmend mit Situationen zu tun haben, in denen nicht nur ethische Appelle, sondern bestbegründete Ethikentwürfe das Schicksal des ein bisschen verloren wirkenden Mose auf dem dunklen Bild teilen. Er steht zwar noch da, seine Gesetzestafeln vermögen aber keine normative Kraft zu entfalten, weil die Menschen auf dem Bild „anders“ gesteuert werden. Weil Mechanismen am Werk sind, Mechanismen, von denen die Wirklichkeit konstruiert wird. Und damit nun die wichtige Frage an unsere Gegenwart: Welche Antwort haben Menschen auf die erlebte Katastrophe der Ethik? Auf die Häufung der Opfer? Schweigen sie? Schreiben sie keine Gedichte mehr? Tun sie bloß einander beschuldigen? Natürlich praktizieren Menschen gerade nach der Erfahrung der Katastrophe der Ethik Rechtsprechung, sie bemühen sich auch um Opferschutz. Die Überdimensionalität der Opfergestalt auf dem dunklen Bild gibt uns aber zu denken. Sie hat etwas Warnendes und Rettendes zugleich in sich. Warnend, weil die Rolle des Opfers einen mimetischen Sog ausübt, den Nachahmungswahn. „Ich leide, also bin ich“, schrieb schon vor Jahren ein Philosoph [Pascal Bruckner]. Und das gegenwärtig erlebte und medial zelebrierte Opfer-Täter-Verhängnis zeigt, dass der mimetische Sog – wenn ungebrochen – Seelen in Wüstenlandschaften verwandeln kann. Die Folgen davon können nur angedeutet werden: eine Gesellschaft, in der sich alle auf diese oder andere Weise als Opfer begreifen, findet alleine kaum den Ausweg aus dem Teufelskreis. Dann reden wir von Ethik und jagen die Sündenböcke. Die sehen wir auch kaum, weil in unserer Wahrnehmung bloß Gegner und legitime Feinde existieren. Wir kritisieren andere und verschleiern unsere eigenen Abgründe. Zugespitzt formuliert: Je deutlicher sich die Aufklärungs- und Outingkultur zu Wort meldet, je lauter die Empörung und der Ruf nach Verantwortung, umso mehr waten wir „im Sumpf“ der Selbstgerechtigkeit.

Was bedeutet es „Christlich das Ganze ahnen“? Mose/Dekalog und Kreuz/Auferstehung zusammenzusehen und die im Kreuz stattgefundene Transformation des Bösen und das Geheimnis der Stellvertretung ins Zentrum der Religion zu rücken. Noch einmal: wir segenln nicht auf dem untergehenden Schiff. Vielleicht stehen wir hierzulande für ein Minderheitsprogramm: ein Minderheitsprogramm jedoch, dass für die Rettung der Menschlichkeit von zentraler Bedeutung ist. Weil wir mit unseren Flügen allem Anschein zum Trotz den Menschen eine Hilfe sind, dass sie in die Arme des himmlischen Fängers fallen … und zwar immer wieder fallen: im Leben, im Sterben und auch im Tod.

Glauben wir das, dann wissen wir, dass wir gerade deswegen beten, weil andere nicht beten, dass wir vielleicht auch deswegen glauben dürfen, weil andere nicht glauben können. Und das ist schon die erste und auch fundamentalste Antwort auf die Frage: Was kann eine römisch-katholische Pfarre für die Menschen vor Ort tun? Niemand glaubt allein: deswegen die fundamentale Bedeutung der Gemeinschaft – hier der Pfarre – deswegen auch die konstitutive Bedeutung von ihnen allen!

Was tun wir also für die Menschen vor Ort. Wir glauben und beten in diesem Ort und für diesen Ort! Die Pfarre ist also so etwas wie ein lebendiges Symbol des Himmels mitten unter diesen Menschen. Und dies in einer Zeit, die von Ängsten geplagt ist, deren Zeitgenossen vom Krisenmanagement und lauten Engagement die Luft ausgeht, sie sich deswegen ihre Kraft meistens aus der Steigerung vom Stress, gar vom Urlaubsstress holen, von der Jagd auf Sündenböcke fasziniert sind und der Lust am Skandal.

Und damit sind wir schon bei der zweiten Antwort auf die Frage: Was kann eine römisch-katholische Pfarre mit den Menschen vor Ort tun? Mit der ganz konkreten Gemeinde leben. Den Alltag zu meistern suchen, sich engagieren

Sie lebt mit dieser ganz konkreten Gemeinde, engagiert sich politisch/sozial ähnlich wie andere Organisationen und Verbände: einer NGO ganz ähnlich und doch ganz anders! Und warum? Weil sie dieses Leben nicht als „letzte Gelegenheit“ begreift und auch diese Welt nicht als die „einzige Welt“, ist nicht die Angst der treibende Motor des Engagements der Katholiken, sondern das Vertrauen in die Gegenwart Gottes (gerade in der Krise). Dieses Vertrauen schenkt Gelassenheit, trägt also zur Lebensqualität bei. An diesem Punkt zeigt sich deutlich, dass der vermeintliche „Schnee von gestern“ das lebensspendende „Wasser für morgen“ sein kann. Strahlt dieses unseres Vertrauens heute auf andere aus?

Und was ist mit der „moralischen Anstalt“ vor Ort? Entgegen dem immer mehr verbreiteten Vorurteil Religion und Ethik wären im Grunde dasselbe, nur die Ethik sei der modernen Zeit angepasster (weil sich die Kirche als „scheinheilig“ diskreditiert hat), hält der „göttlicher Fänger“ fest: 

 Der eigentliche Wert des Glaubens und der Religion wird erst dort sichtbar, wo der Mensch versagt. Wo ethische Systeme scheitern. Wo die Menschheit gar die Erfahrung der “Katastrophe der Ethik” macht. Der Versuchung der Sündenbockjagd verfällt und nur noch “Säuberungen” durchführt. Die Gläubigen kennen dort den Neuanfang aus der Kraft der geschenkten Vergebung. Die Christen bekennen gar die Menschwerdung Gottes: in eine vom Scheitern gezeichnete Welt! Er steigt herab in den menschlichen Dreck! Je weniger die Ethik unseren Alltag strukturiert – und das ist die Gefahr für die morgige Welt –, umso mehr wird der christliche Glaube wichtig. Der Glaube daran, dass Gott selber in seinem Sohn mit uns – den versagenden Menschen – geht. Uns auch so vor Selbstverachtung bewahrt.

Wenn wir das Ganze ahnen, dann werden wir nicht verzagen, nur weil unsere Kirche nicht zum Bersten voll sind, nur weil es oft vor Ort keinen Priester mehr gibt, nur weil sich unsere kulturelle Öffentlichkeit wenig aus dem Glauben und der religiösen Hoffnung macht und die Kirche bei jeder Gelegenheit an den Pranger stellt. Wenn wir „das Ganze ahnen“, dann werden wir nicht nur jammern und klagen, nicht nur Reformpläne schmieden und Frustrationen pflegen, dass diese Reformpläne nicht umgesetzt werden oder scheitern. Vor allem werden wir uns der defätistischen Urteile enthalten: Es sei doch die letzte Chance. Für wen? Für die Kirche, gar für Gott selber, für die Pflege des kirchlichen Narzissmus? Oder für die Interessengruppen, die ihr (oft legitimes) Interesse anstelle der Katholizität setzen?

Wir haben in den letzten Jahren – angeheuert durch mediale Diskussion über die Kirche und die Kirchenreform – erlebt, wie man das Katholische auf die Interessen einer Gruppe von Menschen (ganz gleich wo diese Gruppe politisch und sozial steht), wie man das Katholische zur Interessenvertretung verwandelt. Wenn wir das Ganze ahnen, werden wir die in der heutigen Diskussion verschüttete Bedeutung dessen, was „Katholisch“ heißt neu entdecken. Katholisch ist durch das Verbindungswort: „und“ charakterisiert. Katholisch sei also das und das und auch das noch. Katholische Kirche ist deswegen mit einem bunten Blumen- und Gemüsegarten vergleichbar, einem Garten, in dem es auch Unkraut gibt, von dem man nicht weiß, ob es doch nicht ein Heilkraut ist. Nicht zuletzt durch die medial transportierten Schlagzeilen erleben wir aber in unseren Tagen eine radikale Zerstörung dieses Gartens zugunsten von einander feindlich gegenüberstehenden Monokulturen. Lassen wir uns nicht verführen durch diese destruktive Parteilogik.

Papst Franziskus hat zu einer Synode über Synodalität eingeladen … zum Austausch über den Weg zur umfassenden Katholizität.  Es bleibt und zu hoffen, dass es der Synode gelingt die atemberaubende Weite des Katholizismus wieder ins Bewusstsein zu rücken.

Diese umfassende Katholizität zwingt den Vortragenden zum Schluss noch eine Frage direkt anzusprechen, eine Frage, die für viele von Menschen mit enormen Angstpotenzial verbunden ist: Was ist mit jenen, die, die beim Flug ihres Lebens abgestürzt sind? Weil sie nie anziehend waren, nie gesund waren, nie glücklich, vollkommen einsam. Was ist mit jenen, die beim Sturz im Netz des sprichwörtlichen Fegfeuers gelandet sind – oder gar auf den harten Boden geprallt und im Abgrund der Hölle liegen? Verletzt, Ressentimentgeladen, in sich verkrümmt, einer geballten Faust nicht ganz unähnlich? Einer Faust, die nur noch schlägt und verletzt, vor allem sich selbst verletzt. Was ist mit jenen, die bei Flug ihres Lebens ihre Hände nicht ausgestreckt haben. Weil sie das nicht wollten oder auch nicht konnten? Weil sie keine Chancen hatten?  Die große Dichterin Christine Lavant brachte diese Fragen und die Antwort auf eine Frage zusammen: „Kniet sich der Himmel nieder, wenn man zu schwach ist, um hinauf zu kommen?“

Ja, antworten wir und greifen damit auf das tiefste Geheimnis des Christentums zurück: der göttliche Fänger stieg in seinem Sohn auf den harten Boden der Realität auf dem die missglückten Flieger landen. In seinem Kreuzestod fällt er tief, tiefer – wie kein Menschen lm Leben fallen kann. Damit er noch im Abgrund Fänger sein kann.

Der Blick auf diesen „göttlichen Fänger“ auf dem lebensgeschichtlichen Trapez der Menschheit hat uns heute geholfen seine Stimme zu vernehmen:

Habt Mut! Als Pfarrgemeinderätinnen und Räte: habt Mut. Ihr seid ja die Flieger auf dem lebensgeschichtlichen Trapez der Menschheit, jene Flieger, die sich nicht nur selber zu diesem Flug entschieden haben, oder von den anderen gewählt wurden; ich selber – der göttliche Fänger – habe euch nämlich erwählt. Und ich möchte Euch als Gestalter der neuen kirchlichen Zukunft inspirieren, euch Vertrauen schenken. Damit ihr fliegen könnt, aber auch damit ihr andere in meinem Namen auffangen könnt. Den Flieger und Fänger im Gottes Namen seid ihr. Es gibt keine Gründe, um verzagt zu sein. Im Gegenteil: Als Pfarrgemeinderätinnen und Räte, Menschen, die erwählt und gewählt wurden und als Gestalter der Zukunft hier versammelt sind, sollen wir unser Selbstbewusstsein aufpolieren: mit unserem Glauben und unserem Engagement sind wir für unsere Welt das besten Hoffnungszeichen: ein Hoffnungszeichen der Transzendenz und ihrer Bedeutung für das tägliche Leben! Das Leben ist nicht die letzte Gelegenheit – es ist der Inbegriff des Weges in die Ewigkeit.

Epilog: Und was ist mit denen, die sich direkt an IHM vergreifen?

Das Innere der Kathedrale ließ den Atem stocken. Fasziniert nahmen Menschen die enorme Höhe des gotischen Bauwerkes wahr. Und auch das Kruzifix hoch oben im Altarraum. Eine goldene Dornenkrone, durchsetzt mit kostbaren Edelsteinen, zog die Aufmerksamkeit der Frommen auf sich. Und nicht nur der Frommen. Auch Diebe waren vom Schmuckstück fasziniert. Eines Nachts ließ sich einer von ihnen vom Dachboden auf dem Seil hinunter. Ausgerüstet mit einem scharfen Messer hing er direkt vor dem Kopf Christi, versuchte die Krone aus der Verankerung zu lösen. Doch sie saß fest. Der Dieb gab nicht auf, versuchte es wieder. Schwitzte und keuchte. Plötzlich brach die Klinge des Messers entzwei, eine ruckartige Bewegung des hängenden Mannes ließ das Seil reißen. So wäre der Dieb am Boden der Kathedrale zerschmettert. Wenn der Gekreuzigte ihn nicht mit seiner Hand aufgefangen hätte. Am Morgen in der Früh traute der Mesner seinen Augen nicht, als er den Mann oben erblickte. Fest und herzlich umklammert vom Arm des Gekreuzigten.

Eine wunderschöne Legende, die den Sinn des christlichen Glaubens verdichtet: Christus fängt auf: er fängt auch oder gerade denjenigen, der sich an ihm vergreift.

Meine Damen und Herren, in einer Kultur, die oft zu modern droht, weil sie so modern sein möchte, sind wir im besten Sinn des Wortes nicht nur modern, weil wir aufgefangen werden. Das soll uns helfen unser Selbstbewusstsein aufzupolieren. Wir sind besser als unser Ruf.

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