Jede erdachte Darstellung Gottes geht fehl, auch die Trinität

Beitrag von Dr. Herbert Kohlmaier

Die Zeitschrift der Theologischen Kurse in Wien veröffentlicht in der Ausgabe vom November 2023 einen Aufsatz des an der Universität Bonn lehrenden Theologen Klaus von Stosch. Unter dem Titel „Gott und Vielfalt“ geht es darum, ob uns die Theologie des dreieinen Gottes Impulse für das Thema Inklusion geben kann. Es ist offenkundig, dass sich der Autor dabei auf die Dreifaltigkeit Gottes stützt, wie sie im Katechismus dargelegt wird (249 -256). Das führt zur Frage, ob dieser kirchliche Lehrinhalt ebenso wie andere heute noch dazu geeignet ist, den Menschen eine plausible Darstellung Gottes zu bieten und den Ausgangspunkt für Überlegungen wie bei Stosch zu bilden.

Bedenken wir zunächst die Situation, in der sich die kirchliche Glaubenslehre befindet. Jüngere Studien in Österreich und Deutschland ergaben dazu übereinstimmend geradezu niederschmetternde Ergebnisse. Nur etwa ein Fünftel der Menschen in diesen Ländern glaubt an einen Gott, der sich durch Jesus Christus zu erkennen gab, und von diesem betrachtet nur etwas mehr als die Hälfte Jesus als Gott. Bestenfalls 50 Prozent der Bevölkerung anerkennen noch ein höheres Wesen, während der Rest diesbezüglich nicht sicher ist oder sich definitiv vom Glauben verabschiedet hat. Diese Entwicklung ist wie der Verlust des Vertrauens in die Kirche besonders bei der Jugend und im städtischen Bereich festzustellen.

Die kirchliche Lehre mit ihren zahlreichen subtilen Erklärungen ist fast niemandem bekannt. Es mag zynisch anmuten, aber das hat auch seine gute Seite, denn jener ausufernde religiöse Komplex, der in lang zurückliegenden Zeiten geformt wurde, ist heute nicht mehr geeignet, zum Glauben zu motivieren. Dieser ist heutzutage weitaus überwiegend ungebunden und individuell gestaltet. Das, wozu man einst ein religiöses Volk durch Glaubensgehorsam verpflichten wollte, ist für die Menschen bedeutungslos geworden.

Überlegungen zu einzelnen Inhalten der kirchlichen Lehre werden angesichts dessen zu einem Thema für jene, die sich einem schwindenden Restbestand einstiger Religiosität widmen wollen. Das gilt auch für die Dreifaltigkeit, mit der sich Stosch auseinandersetzt. Unumwunden muss festgestellt werden, dass diese aus der Antike stammende theologische Konstruktion für jemanden, der heute nach einem vernünftigen Glauben strebt, nicht nachvollziehbar ist.

Dass die Trinität zu einem wesentlichen Inhalt der Lehre wurde, ist historisch zu erklären und auch zu verstehen.  Im Glauben des Judentums, dem Jesus angehörte, galt strenger Monotheismus, andere Götter anzubeten war eine todeswürdige Verfehlung. Wenn Stosch in seinen Ausführungen anmerkt, dass es „unabweisbar“ scheint, in Jesus Gott selbst zu erkennen, kann dies nur die Situation des Christusglaubens nach seiner Ausbreitung über das Judentum hinaus in eine vom griechisch-römischen Denken geprägt religiöse Landschaft betreffen. In dieser wirkte nach wie vor ein anthropomorphes Gottesverständnis.

Seit je her neigt der Mensch dazu, sich göttliche Wesen wie Menschen vorzustellen. Der Himmel war im Altertum von den Unsterblichen bevölkert, die sich wie Menschen verhielten und handelten. Wenn wir zu uns ehrlich sind, neigen wir immer noch zu menschenähnlichen Gottesbildern. Nicht nur, wenn wir alte Kirchengemälde betrachten, wo Gott als weiser Alter mit Bart von Jesus und dem Heiligen Geist als Taube flankiert dargestellt wird, sondern auch, wenn wir einen Willen oder ein Tun Gottes zu erkennen vermeinen und ihn als allmächtig sowie allwissend beschreiben. Macht und Wissen sind menschliche Kategorien.

An sich besteht bei gebildeten Menschen Einvernehmen darüber, dass Gott nicht erkannt und nicht beschrieben werden kann. So schwer oder unmöglich eine abstrakte Gottesvorstellung sein mag – jedes Bild von ihm geht in die Irre, vor allem wenn wir Menschliches auf den Unbegreifbaren projizieren. Wir können auf den Schöpfer nur schließen, indem wir wahrnehmen, was er gefügt hat. Immer wieder wird gemeint, dass sich Gott den Menschen geoffenbart habe, es findet sich vielfach in den Schriften der Religionen. Doch dabei handelt es sich um subjektiv Empfundenes. Unser ahnendes Streben mag zu einer Annäherung im Sinn eines Empfindens führen, aber nicht zu tatsächlicher Erkenntnis. Nur das Wirken Jesu wird von der Christenheit als eine von Gott herrührende Offenbarung verstanden.

Zurück zur Geschichte: Tatsächlich war es in der Frühzeit der Kirche „unabweisbar“, den als göttlich erkannten Christus in das Panoptikum der antiken Götterwelt einzufügen. Die Frage, ob er selbst (ein) Gott oder nur ein besonders begnadeter Mensch sei, war umstritten. Sie sollte in dem von Constantin 325 einberufenen Konzil von Nicäa entschieden werden, das der Kaiser leitete und wohl auch entscheidend beeinflusste. Diesem ging es anscheinend weniger um den wahren Glauben als um die Staatsraison. Man brauchte einen Reichsgott und einen allgemein ausgeübten Kult. Ein noch so überzeugender Wanderprediger konnte das nicht bieten, also musste ein echter und wie immer gearteter, aber handfester Gott her.

Nach heftigem Streit kam man zum Ergebnis, dass Christus eines Wesens mit dem Vater sei.

Das führte zwangsläufig zu dem das Christentum forthin prägenden Glauben an die Trinität. Jesus als wesensmäßiger Gott durfte nicht an der Existenz des Schöpfer- und Vatergottes rühren, sondern musste mit diesem als Einheit von Zweien (Dreien) gesehen werden. In mehreren Schritten legten weitere Konzile fest, wie die Lösung des unlösbaren Problems gelingen sollte. Das endgültige Ergebnis ist im Katechismus (253 – 256) zu finden: Drei von Ewigkeit her existierende göttlichen Personen, der Vater, der Sohn und der Heilige Geist, sind real verschiedene Hypostasen des dennoch nicht zerteilten einen Gottes. Jede von ihnen ist ganz und voll Gott. Sie sind zwar real voneinander unterschieden, aber doch einer Natur und stehen miteinander in einer Beziehung ohne Gegensätzlichkeit.

Diese religiös Konstruktion ist von der gesamten Christenheit zur Kenntnis genommen und nicht ernsthaft in Frage gestellt worden. Wie immer man allerdings versucht, sie nachzuvollziehen, stößt man auf Unverständliches. Jesus hat sich als „voll und ganz Gott“ auf Erden begeben, wurde dort umgebracht, stieg ins Reich der Toten hinab und dann geschah, dass er vom Tod befreit wurde. Eine wahrlich absurde Vorstellung! Gott nimmt nicht einen Ort ein und ist nicht einmal da und dann dort, niemand kann ihn töten und begraben. So wird in der Lehre die Kreuzigung und die folgende Erweckung Jesu als ein durch göttliche Interaktion herbeigeführtes Heilsgeschehen dargestellt (599-618).

Der Sohn habe als das Opferlamm Gottes sein Leben dem Vater hingegeben, um nach dessen Heilsplan die Sünden der Menschen zu sühnen und sie mit Gott zu versöhnen. Dies sei „aus freiem Willen“ geschehen, also nach seiner Entscheidung. Doch dieses sich hingebende Tun des einen und die Entgegennahme dessen durch den anderen widerlegt die Auffassung eines ungeteilten Gottes. Will man nicht annehmen, dass sich der Gekreuzigte als Gott selbständig aus dem Grab befreite, kann dies nur vom Vater bewirkt worden sein, was ja als der urchristliche Glaube zu verstehen ist. Also werden uns in der Dreifaltigkeit tatsächlich mehrere „Hypostasen“ mit einem bestimmten eigenen Tun vor Augen geführt. Doch drei Götter?

Nach der Trinitätslehre beziehen sich die drei göttlichen Personen aufeinander, sind aber eine Natur oder Substanz. Wie soll diese „Beziehung“ verstanden werden, die uns zur Inklusion führen soll? Eine solche ist eine Kategorie der Schöpfung, die wohl nicht dem Schöpfer übergestülpt werden kann. Wenn Personen miteinander in Beziehung stehen, hat dies einen Zweck. Sie wollen von der Andersartigkeit des Gegenüber Gewinn und gemeinsames Erleben erfahren, auch lernen. Denen der Dreifaltigkeit, die alle voll und ganz Gott sind, wird also mit dem Bestehen einer Beziehung menschliches Verhalten und das Erleben von so etwas wie Kontakt miteinander zugeschrieben. Bezeichnenderweise wird im eingangs genannten Beitrag gemeint, dass die Beziehung zwischen den göttlichen Personen „pulsierendes Leben“ sei. Leben bedeutet Veränderung im Ablauf der Zeit und an bestimmtem Ort. Doch der unveränderliche Gott steht unendlich über Zeit und Raum, die er geschaffen hat, als er das Leben schuf.

Die Dreifaltigkeit ist eine theologische Gedankenkonstruktion, die in Wahrheit das Scheitern des Versuchs bedeutet, Jesus selbst zum Gott zu machen, ohne den fundamentalen Fortschritt des Eingottglaubens aufzugeben. Es gibt sicher gute Gründe, ihn als göttlich zu betrachten, also von Gott gesandt oder ganz von dessen Geist erfüllt. Welchen Gewinn soll aber die Betrachtung bringen, dass er eines Wesens mit dem Vater sei, der ihn gezeugt habe? Nichts deutet darauf hin, dass er bei seinem Wirken so verstanden worden wäre oder sich gar in diesem Sinn deklariert hätte. Sollen wir glauben, dass sich der „fleischgewordene“ Gott auf Erden geflissentlich als Mensch verstellt hätte?

Nach den Berichten der Evangelien stand Jesus in einer besonderen Beziehung zu Gott, zu dem er betete und schon deshalb nicht dieser selbst war. Denen, die er geheilt hatte, sagt er, dass ihnen ihr Glaube geholfen habe, aber nicht er in seiner göttlichen Macht. Als einer Jesus als guten Rabbi anspricht (Mk 10,17-18), erwidert dieser, dass niemand gut sei, außer der eine (!) Gott. Aber beim Herstellen einer wohlorganisierten und „wahren“ christlichen Religion brauchte die Kirche einen anderen Jesus. Man bemächtigte sich seiner, um ihn sich bis zur Unkenntlichkeit herzurichten. Das betraf besonders die Verdrängung seiner Verwurzelung im Judentum und die Umstände seines Lebens. Sogar seine Geschwister, die im Evangelium aufgezählt werden (Mt 19,55-56) darf es nicht geben, obwohl sich der Herrenbruder Jakob der Gemeinde in Jerusalem annahm.

Aus dem begnadeten Prediger, der durchs Land zog, wurde eine sterile aus Gott und sündenfreiem Supermann zusammengesetzte Kunst- und Kultfigur. Er, der vor dem Herrschen und Richten warnte, wurde zum Pankreator und Vollzieher des letzten Weltgerichtes. Was so wie die Sakramente heilsbringend sei, stamme von ihm, alles sei sogar durch ihn geschaffen worden. Die Lehre der Kirche ist Produkt ungehemmten Erklärungsdranges, der einen Irrweg beschritt. Wenn man das Jesusereignis ganz in die göttliche Sphäre verschiebt, wird es verfälscht und verliert seinen Wert. Berufung, Verkündigung, Kreuzigung und Erweckung werden dann zum innergöttlichen Schauspiel, dem wahre Bedeutung fehlt.

Jesus spricht beim letzten Abendmahl vom Kelch des neuen Bundes in seinem Blut (1 Kor 11,25). Dieser Bund ist als Neubestimmung der Beziehung zwischen Gott und Mensch zu verstehen. Bei seinem Zustandekommen steht Jesus auf unserer Seite, also für die Menschheit. Schiebt man ihn auf die Gottes, erhalten wir eine personelle Erweiterung des ergeben anzubetenden Höchsten und Heiligen. Wir sind aber dann nicht einbezogen in das dramatische Geschehen zwischen Gott und Menschheit, das uns aufrütteln und zum Erkennen unseres Lebenssinnes führen soll. In diesem „uns“ ist Jesus. Den wollte man wegnehmen, in unerreichbare Ferne befördern, aber auch in den exklusiven Besitz und die Verfügungsgewalt der Kirche.

Schließlich sei angemerkt, dass im Bewusstsein der Menschen die Zahl 3 Harmonie und Vollendung bedeutet. Naheliegend ist daher, sie auf Gott zu applizieren.

Rom hat immer darauf bestanden, dass seine Lehre von der Theologie erläutert, begründet, verbreitet und verteidigt wird. Tut diese das weiterhin, wird sie gemeinsam mit der Kirche in Bedeutungslosigkeit versinken. Als wirkliche Wissenschaft – und sie kann als solche nur bestehen, wenn sie frei forscht und lehrt – müsste sie vorangehen in einem erneuerten Verständnis christlichen Glaubens. Nichts bräuchte die Welt angesichts zunehmender Gewaltbereitschaft und Verrohung mehr, als die Liebesbotschaft Jesu zu erforschen, zu verstehen und ernst zu nehmen. Darum geht es heute in Wahrheit. Alles andere ist überflüssiges Beiwerk, das uns nicht weiterbringt.


Dr. Herbert Kohlmaier, Jg. 1934, von Beruf Sozialrechtsexperte, übte führende politische Funktionen aus und war nach langjähriger parlamentarischen Tätigkeit Volksanwalt der Republik. Zuletzt engagierte er sich in der kirchlichen Reformbewegung.

Informationen zum Buch von Dr. Herbert Kohlmaier „Das versäumte Reich Gottes. Ein Plädoyer für die Nächstenliebe“: BUCHINFORMATION zum Herunterladen

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