Kritik unter uns muss anders klingen. Zu Rusters Abrechnung mit Karl Rahner SJ

© Karl-Rahner-Archiv

Beitrag von: Univ.-Prof.em. Mag. Dr. Roman A. Siebenrock (Universität Innsbruck)


Redaktionelle Anmerkung: Dieser Beitrag stellt eine Replik auf den Beitrag von Prof. Dr. Thomas Ruster dar, der unter dem Titel „Um eine Hoffnung ärmer?“ als gekürzte Fassung eines Textes in der „Herder Korrespondenz“ in „theologie aktuell. Die Zeitschrift der THEOLOGISCHEN KURSE“ im Mai 2024 erschienen ist. Der Beitrag ist hier nachzulesen: LINK.


Nach der Lektüre des Beitrags von Thomas Ruster in der Herder-Korrespondenz war ich ziemlich ratlos. Weil dieser Beitrag gekürzt auch in „theologie aktuell“ erschienen ist, habe ich Erhard Lesacher gegenüber meine ernsten Bedenken geäußert und er hat eine Entgegnung angeregt. Das mache ich gerne, weil ich davon überzeugt bin, dass Karl Rahner bis heute eine wichtige Stimme bleibt und ich inhaltlich auch jene Positionen zu teilen vermag, die der Kritiker in einer Sprache der Diffamierung angreift, ohne auch nur ansatzhaft zu zeigen, dass er die tragende Mitte dieser Theologie zu erfassen versucht und seine Thesen reine Konstruktionen sind. Ruster fasst seine Interpretation mit folgenden Worten zusammen: „Bibelferne, Jesusferne, überhaupt der Versuch, christliche Theologie ohne Rücksicht auf den Gott der Bibel zu entwerfen; das Stillstellen der messianischen Hoffnung über die Proklamation einer angeblichen Endgültigkeit hinaus“. Das bedeutet für mich: Wenn diese Kritik stimmt, dann ist Karl Rahner nicht nur ein Fundamentalhäretiker, sondern wohl nicht einmal ein Christ oder Jesuit; – und wir sollten ihn mindestens ignorieren. Dass mit dieser Kritik dem katholischen Lehramt seiner Zeit ein schlechtes Zeugnis ausgestellt wird, sei nur angemerkt, weil alle Veröffentlichungen (außer einer[1]) von Rahner oftmals einer mehrfachen Zensur unterzogen worden waren. Aber vielleicht weiß es Thomas Ruster besser als das Heilige Officium unter Ottaviani, zu dessen Festschrift anlässlich seines 80. Geburtstag Rahner einen Beitrag beisteuerte.

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Jede erdachte Darstellung Gottes geht fehl, auch die Trinität

© MET

Beitrag von Dr. Herbert Kohlmaier

Die Zeitschrift der Theologischen Kurse in Wien veröffentlicht in der Ausgabe vom November 2023 einen Aufsatz des an der Universität Bonn lehrenden Theologen Klaus von Stosch. Unter dem Titel „Gott und Vielfalt“ geht es darum, ob uns die Theologie des dreieinen Gottes Impulse für das Thema Inklusion geben kann. Es ist offenkundig, dass sich der Autor dabei auf die Dreifaltigkeit Gottes stützt, wie sie im Katechismus dargelegt wird (249 -256). Das führt zur Frage, ob dieser kirchliche Lehrinhalt ebenso wie andere heute noch dazu geeignet ist, den Menschen eine plausible Darstellung Gottes zu bieten und den Ausgangspunkt für Überlegungen wie bei Stosch zu bilden.

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„Sagt den Verzagten: Habt Mut, fürchtet Euch nicht“ (Jes 35,4) – Dem „göttlichen Fänger“ vertrauen!

© Sant Climent de Taüll. Museu Nacional D'Art de Catalunya, Barcelona

Prof. Dr. Jozef Niewiadomski beim Tag der PfarrgemeinderätInnen am 9. September 2023

[YHHH – ein Angstschrei] … Die Kinder hielten den Atem an. Und dann: [Wow! – ein Schrei der Entspannung]: dann der Schrei der Entspannung und Bewunderung –Sie saßen im Zirkuszelt, bei der Nachmittagsvorstellung, und schauten gerade auf den jungen Flieger, kaum älter als sie selber. Es hat ihnen regelrecht den Atem verschlagen, als sie den halsbrecherischen Salto Mortale sahen. Und nun, nun stand er oben, im Scheinwerferlicht auf dem Trapez. Sie klatschten und schrien. Der Flieger schien ihnen zuzuwinken. Da sagte die Lehrerin: „Er kommt zu uns in die Schule, wird mit euch reden.“ „Cool!“, lautete der unisono ausgestoßene Begeisterungsschrei.

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Joseph Ratzinger / Papst Benedikt XVI. – Was bleibt?

© Staatsministerium Baden-Württemberg auf Flickr

Kaum einem anderen Menschen wurden in den letzten 60 Jahren solche Gestaltungsmöglichkeiten in der Katholischen Kirche gegeben wie Joseph Ratzinger/Papst Benedikt XVI.: Als Konzilstheologe, als Professor an den größten deutschen Fakultäten, als Erzbischof einer wichtigen Diözese, als Präfekt der gefürchteten Glaubenskongregation und schließlich als das Oberhaupt der Kirche gestaltete und lenkte er die Geschicke der Weltkirche. Vor diesem Hintergrund sind auch die Resümees seines Lebens zu sehen, denn – wie schon in Lukas 12,48 steht – „Wem viel gegeben wurde, von dem wird viel zurückgefordert werden, und wem man viel anvertraut hat, von dem wird man umso mehr verlangen.“

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Wollte ich rufen, würde er mir Antwort geben?

© Couleur auf Pixabay

Ich glaube nicht, dass er auf meine Stimme hört. (Iob 9,16) Das ist Hiobs bittere Einsicht am Ende seiner vergeblichen Empörung gegen das ungerechte Leiden, das ihn getroffen hat. Die „wissenden“ Antworten seiner theologisch gebildeten Freunde erschienen ihm als untauglich. Hiobs Frage nach dem Warum quälen ihn (und viele Leidende) nicht weniger als Krankheit, Schmerz, Verlust der Liebsten und sozialer Tod. Dazu kommt die Frage: Wozu leide ich? Gott aber, wenn ich ihn in meinem Elend fragte, würde er mir Antwort geben? Und welche?

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Hans Kessler: Impulse im Rahmen der Friedensnacht in St. Michael (Werther/Westf.) am Palmsonntag 10.4.2022

© Austrian National Library

Putins brutaler Krieg gegen die Ukraine, immer noch gestützt vom Moskauer Patriarchen Kyrill, und das russische Volk wird systematisch belogen, und viele in der Welt dazu.

Ich wurde gefragt: Wie kann Gott das zulassen? Wo bleibt da Gott?

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Das Potential der christlichen Theologie für den gesellschaftlichen Zusammenhalt

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Statement von Univ.-Prof. Dr. Roman SIEBENROCK (Universität Innsbruck) in der UNO-City-Kirche (Wien) zur Feier 81 Jahre THEOLOGISCHE KURSE, 30.9.2021.

Die Frage nach dem Potential theologischer Bildung für den gesellschaftlichen Zusammenhalt hat zwei Perspektiven miteinander zu verbinden[1]: eine Analyse der gegenwärtigen gesellschaftlichen Entwicklungen und die Möglichkeiten der christlichen Theologie für den wohl als gefährdet angesehenen Zusammenhalt unserer Gesellschaft. Mit dieser Präzisierung des Themas sind einige Konkretionen verbunden. Zunächst: Ich kann und werde nicht von einem scheinbar neutralen Standpunkt aus sprechen, sondern von meinen Erfahrungen, d. h. meinen Hoffnungen und Sorgen in dieser Zeit und dieser gesellschaftlichen Situation ausgehen. Mit der „Themenzentrierten Interaktion“ nenne ich das den „Globe“. Denn diese Situation ist nicht einfach der Kontext, also ein Außen, sondern durchdringt bis in die Wahrnehmung hinein alle denkerische Orientierung. Weiters spreche ich nicht von irgendeiner Theologie, sondern verdeutliche schon zu Beginn, dass ich von der Perspektive einer christlichen Theologie in katholischer Tradition ausgehe. Dabei zeigt die Kennzeichnung „eine christliche Theologie“ an, dass es nicht nur berechtigterweise, sondern notwendigerweise eine Pluralität an theologischen Ansätzen und Perspektiven geben muss und ich „meine“ Perspektive als eine unter vielen möglichen erachte. Diese Perspektive wird, wenigstens nach subjektiver Einschätzung, wesentlich darin bestehen, die Optionen und Möglichkeiten des Zweiten Vatikanischen Konzils für diese Fragestellung fruchtbar werden zu lassen. Zudem verweist der Begriff „Potential“ auf eine Möglichkeit christlicher Theologie, die vielleicht noch nicht realisiert worden ist. „Das Potential der christlichen Theologie für den gesellschaftlichen Zusammenhalt“ weiterlesen

Gott ohne Namen: ein Versprechen

© wiki commons

„Si comprehendis non est Deus. / Wenn du es verstanden hast, so ist es nicht Gott.“ Augustinus wusste, dass man den biblischen Gott nicht einfach mit der Vernunft verstehen oder bestimmen kann. Und Kinder wissen, dass man jemanden „in der Hand hat“, wenn man seinen Namen kennt. „Ich verrate dir meinen Namen nicht,“ sagen sie daher manchmal mit großem Ernst. Auch die Bibel selbst vermeidet es, den Gott, den sie in ihren Erzählungen beschreibt, einfachhin zu identifizieren. Gott hat in der Bibel viele Namen, männliche und weibliche, um damit jeweils etwas Bestimmtes zum Ausdruck zu bringen. Durch diese Vielfalt wird vermieden, Gott anhand eines einzelnen Namens bestimmen oder „kennen“ zu können. In den entscheidenden Momenten der Bibel erweist sich Gott aber als der Unsagbare. So etwa offenbart sich Gott dem Propheten Elija auf dem Berg „im Säuseln des Windes“, und dieser kann nur seinen Rücken sehen, nachdem Gott „vorübergegangen ist“. Man kann Gott offensichtlich erst nachträglich erkennen und nicht in einem donnernden Spektakel, das gerade abläuft. Und wenn sich in der Exoduserzählung Gott dem Mose im Dornbusch offenbart (Ex 3,14), dann macht er dies nicht wie „das kleine Ich-bin-ich“ aus dem bekannten Kinderbuch von Mira Lobe, um damit seine Individualität und Eigenständigkeit zum Ausdruck zu bringen, auch nicht um sich philosophisch als das große Eine bestimmen zu lassen, sondern vielmehr um den Blick von seinem Namen wegzuwenden: „Ich bin der, der ich sein werde / als der ich mich erweisen werde“, müsste man den Satz, der hinter dem Gottesnamen JHWH steht, etwas kompliziert übersetzen. Die revidierte Einheitsübersetzung fügt bei Ex 3,14 die Fussnote hinzu, dass der hebräische Text an dieser Stelle die Zeitform des Präsens mit der des Futur verknüpft. So als ob Gott sagen würde: „Ich bin jetzt schon als wer ich mich künftig für euch erweisen werde.“ Ein solcher Name ist also eher ein Versprechen, keine simple Bestimmung oder Identifizierung. Doch wieso eigentlich?

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Der Retter ist auch der Richter

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„Gott hat uns gerettet!“ – lautet die zentrale Erfahrung des Volkes Israel. Sie zieht sich durch das gesamte Alte Testament: „Gott hat uns aus dem Sklavenstaat Ägypten befreit.“ Der befreiende Gott ist keine theoretische Erkenntnis, sondern konkrete Erfahrung. Eine Erfahrung, die auch konkrete Auswirkungen auf die Lebensführung hat. Die von Gott geschenkte Freiheit soll für alle bewahrt bleiben. Das von Gott gegebene Gesetz, die Zehn Gebote, sind Leitlinien für ein gerechtes Miteinander. Auf die Rettung aus der Versklavung in Ägypten antwortet das Volk Gottes mit dem Halten der Gebote: „Ich bin der HERR, dein Gott, der ich dich aus Ägyptenland, aus der Knechtschaft, geführt habe. Du sollst keine anderen Götter haben neben mir. Usw.“ (Ex 20, 2-3) Dieses „sollst“ wäre richtig zu übersetzen mit „wirst“. Aus der Befreiung durch Gott folgt nach innerer „Logik“ eine Lebensführung, die Gott entspricht. „Der Retter ist auch der Richter“ weiterlesen

Schöpfer und Lebensspender

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„Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde …“ Mit diesen Worten beginnt die Bibel. Am Anfang gab es nichts, dann machte sich Gott an die Arbeit und es begann ein Spektakel: Es knallte Licht in die Dunkelheit, Himmel und Erde trennten sich, die Erde wurde bepflanzt und die Gewässer füllten sich mit Lebewesen, und schließlich brachte Gott sein Abbild – den Menschen – hervor. Auch eine Hollywood-Produktion wie der Film „Noah“ verkneift sich nicht, diese Geschichte beim Abendessen auf der Arche einzuspielen, mit allen Effekten der modernen Filmkunst. Es ist möglicherweise die biblische Geschichte schlechthin, mit der vermutlich jedes jüdische oder christliche Kind aufwächst. Eine wunderschöne Erzählung, die erst in eine Krise geriet, als man sie mit einer historischen Beschreibung verwechselte und zu wissen glaubte, dass Gott tatsächlich sechs Tage gewerkelt habe und diese Beschreibung jede Erkenntnis der Naturwissenschaft erübrige.

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