Dominikaner-Kardinal Yves Congar vor 25 Jahren gestorben

Beitrag von Alexander Brüggemann für kathpress.at

Immer wieder aufstehen – die Devise durchzieht die Biografie vieler großer Persönlichkeiten in Politik und Religion. Der französische Dominikaner Yves Congar musste viele Nackenschläge einstecken – und wurde trotzdem einer der wichtigsten Theologen des 20. Jahrhunderts. Am 22. Juni 1995, vor 25 Jahren, starb er mit 91 Jahren in Paris.

Congar gehört, obwohl nicht in vorderster Front exponiert, zu den umtriebigsten Gestaltern des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-1965). Der Konzilspapst Paul VI. (1963-1978) soll sogar erklärt haben, der Dominikaner habe auf sein Denken und das des Konzils den größten Einfluss gehabt. Zentrale Anliegen waren dem Dominikaner die Auffassung von Kirche als „Communio“ (Gemeinschaft der Gläubigen) und als pilgerndes „Volk Gottes“ durch die Zeit, eine Reform der Kirche und der ökumenische Dialog.

In der französischen Theologie des 20. Jahrhunderts wird Congar in einem Atemzug mit seinem Lehrer und Ordensbruder, dem geistigen Wegbereiter der „Arbeiterpriester“ Marie-Dominique Chenu (1895-1990) sowie mit den Jesuiten Henri de Lubac (1896-1991) und Jean Danielou (1905-1974) genannt. Sie alle firmieren unter dem Label der „Nouvelle Theologie“ (Neuen Theologie), die in den 1930er bis 1950er Jahren in kritischer Auseinandersetzung mit der römisch verordneten traditionellen Theologie der Scholastik und mit dem Marxismus das Verhältnis von Geschichtlichkeit und Wahrheit auslotete.

Geboren wurde Congar am 8. April 1904 im ostfranzösischen Sedan. Das Haus der Familie lag neben der protestantischen Kirche des Ortes; seit seiner Kindheit hatte er Kontakt mit Protestanten und Nichtchristen. Nach ersten Theologiestudien am Pariser Institut Catholique reifte in seiner Militärzeit im französisch besetzten Mainz der Entschluss, in den Dominikanerorden einzutreten.

Des „Modernismus“ verdächtigt

Schon bald nach seiner Priesterweihe 1929 entfaltete Congar eine rege Vortrags- und Publikationstätigkeit, ab 1931 als Dogmatik-Professor an der Dominikaner-Hochschule Le Saulchoir. Sein wichtigstes Thema: die Überwindung der Kirchenspaltung. Schon 1934 lud er den evangelisch-reformierten Theologen Karl Barth zu einer Gesprächsrunde ein. Auch Congars erstes großes Werk „Getrennte Christen“ (1937) befasste sich mit den Ursachen der Spaltung und gilt als Markstein der frühen Ökumene.

Durch den Zweiten Weltkrieg wurde Congars Wirken jäh unterbrochen. Fast fünf Jahre Kriegsgefangenschaft verbrachte er in Deutschland. Erst danach konnte er seine Themen wieder angehen: die liturgische Bewegung, das Gespräch mit den Protestanten, die Frage der Arbeiterpriester.

Letztere führte 1954 zu einem weiteren tiefen Einschnitt. Als die Kirchenleitung gegen Frankreichs „Linkskatholiken“ vorging und die Arbeiterpriester verbot, wurde Congar wie auch andere Dominikaner des „Modernismus“ verdächtigt und mit Lehr- und Publikationsverbot belegt. Sein „Exil“ verbrachte er in Jerusalem und als Bibliothekar in Cambridge.

Vordenker des Konzils

Der innovative Denker verstand diese Zeit der Prüfung als Übung in „aktiver Geduld“. Statt sich gekränkt zurückzuziehen, nutzte er die Jahre auch zum Weiterstudium, was sich beim Konzil auszahlte. Papst Johannes XXIII. (1958-1963) berief ihn 1960 wie auch Henri de Lubac in die Vorbereitungskommission der Kirchenversammlung; eine semioffizielle Rehabilitierung.

Beim Konzil führte Congar als Peritus (Berater), wenn auch von Konservativen weiter beargwöhnt, unzählige Fachgespräche in Gremien und im Hintergrund, und speiste viele wichtige Impulse ein, etwa für die Pastoralkonstitution „Gaudium et Spes“ über die Kirche in der Welt von heute und für das Dekret über die Religionsfreiheit.

Ihm wird auch zugeschrieben, den antiken Begriff der „Kollegialität der Bischöfe“ wiederbelebt zu haben. Auch deshalb beargwöhnte Congar – trotz des guten persönlichen Verhältnisses zum Montini-Papst – die Inszenierungen zum Abschluss des Konzils und die Gesten Pauls VI. danach: „Da war ja nur der Papst. Er thronte wie ein Herrscher. Alles war auf ihn bezogen. Er schien weniger in der Kirche als vielmehr über ihr.“

Tückische Erkrankung

Just als endlich Congars Zeit gekommen zu sein schien, schlug das Schicksal ein drittes Mal zu, diesmal mit einer tückischen Rückenmarkserkrankung. Bald schon war er auf den Rollstuhl angewiesen. Anders als andere Vordenker des Konzils schreckte er nicht vor den kirchenpolitischen Strömungen der folgenden Jahre zurück; er blieb für die Befreiungstheologie ebenso offen wie für die Neuen geistlichen Bewegungen. Seine Tagebücher sind wichtige Quellen für die Geschichte der Theologie im 20. Jahrhundert.

Viele Jahre der Krankheit und immer weiter nachlassender Aktivität vergingen, bis Papst Johannes Paul II. dem einst brillanten 90-jährigen Konzilstheologen im Herbst 1994 die Kardinalswürde verlieh – ein später Ritterschlag und der letzte Schritt seiner Rehabilitierung. Nach Rom konnte Yves Congar nicht mehr reisen; er erhielt die Insignien am Krankenbett. Als Offizier und Veteran verbrachte er seine letzten Lebensjahre in einem Invalidenheim der französischen Armee in Paris.

Quelle: https://www.kathpress.at/goto/meldung/1901597/dominikaner-kardinal-yves-congar-vor-25-jahren-gestorben


Veranstaltungshinweis:

Über Yves Congar und die Nouvelle Théologie wird bei den THEOLOGISCHEN KURSEN Dr. Tobias Mayer im Rahmen des Spazialkurses „Das Who ist Who der Theologie IV. Große Persönlichkeiten des 20. Jahrhunderts“ sprechen.

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