„Lasst euch erneuern durch den Geist in eurem Denken“ – mit diesen Worten fordert Paulus die Gemeinde in Ephesus auf, sich auf die Lehre Jesu zurückzubesinnen und die eigene Lebensführung zu überdenken. Eigentlich eine Selbstverständlichkeit – das Umdenken ist eine Daueraufgabe jedes Christen. Das eigene Gottesbild, sich selbst und das Verhältnis zum Nächten in Frage zu stellen, war lange eine tägliche Praxis der Christen in Form der täglichen Gewissenserforschung.
Das eigene Gottesbild zu hinterfragen, heißt sich als Schüler zu begreifen – so haben das viele Kirchenväter und Christengenerationen gesehen. Gott kann man erkennen: in der Bibel, in der Natur oder im Nächsten. Gott lässt sich aber nie wissen, alles was wir haben, ist vorläufig; wenn wir glauben, wir hätten gerade etwas verstanden, entzieht es sich sofort wieder. „Von Anfängen, durch Anfänge zu Anfängen“ – soll Gregor von Nyssa gesagt haben.
„Wir sind uns unbekannt, wir Erkennenden, wir selbst uns selbst […]. Wir haben nie nach uns gesucht, – wie sollte es geschehen, dass wir eines Tages uns fänden?“ – fragte schon Nietzsche. Nach mir und meiner Bestimmung zu suchen, ist auch eine zutiefst theologische Forderung: Wir sind zwar alle Abbild Gottes (imago), aber es bedarf unserer Mitwirkung, um ihm ähnlich zu werden (similitudo).
Auf die Mitmenschen bezogen: Christen sind keine Gruppe von Gleichgesinnten, die unter sich bleiben wollen, sondern sie haben den Auftrag, in die ganze Welt zu gehen. Und nicht nur, um ihre Botschaft weiterzugeben, sondern um diese praktisch umzusetzen. Deshalb kann ein Johann Baptist Metz sagen: „Der Bereich der Zuständigkeit, der Umfang der Verantwortung ist prinzipiell unbegrenzt. Kriterium für Maß und Umfang ist und bleibt – das fremde Leid […]. Wer ‚Gott’ im Sinne Jesu sagt, nimmt die Verletzung der vorgefassten eigenen Gewissheiten durch das Unglück der anderen in Kauf.“
Jesus lehrte: „Suchet, so werdet ihr finden“. Doch es geht nicht darum, sich mit dem Gefundenen ein für alle Mal zufrieden zu geben. Denn, was Gott ist, was wir sind und wer der Nächste ist, ist immer größer als das, was wir begreifen und uns vorstellen können. Das Christentum ist ein Weg, den man immer weiter gehen muss: Christ ist man nicht, zum Christen kann man nur werden. Eine Überzeugung, welche die Vielfalt Gottes und die der Welt entdecken lässt und ein Appell ist – in einer Zeit der Abgrenzung und Selbstzufriedenheit.
Dr. Piotr Kubasiak
Erstveröffentlichung: http://www.kirchebunt.at/einrichtungen/kirchebunt/artikel/2018/glauben-verstehen-von-mag-piotr-kubasiak